Die Rückkehr der Angst

Zwei junge Hamburger haben einen 19-Jährigen in einem Bus beinahe umgebracht, weil er sie bat, ihre Musik leiser zu stellen.
Ein Kommentar.

Es ist nicht allein die nackte Brutalität. Es ist auch die Nichtigkeit des Anlasses, aus dem zwei junge Hamburger in einem HVV-Bus beinahe einen Menschen getötet haben, die sprachlos und wütend macht. Wenn jemand mitten in Hamburg erschlagen werden kann, weil er einen anderen bittet, sein Handy leiser zu machen, dann muss man konstatieren: Diese Gesellschaft ist krank.

Das Phänomen, dass bei einigen jungen Männern (oft mit Migrationshintergrund) die zivilisatorisch gewachsenen Hemmschwellen nicht mehr funktionieren, ist nicht neu. Wie ähnliche, tödlich ausgegangene Fälle aus Süddeutschland lehren, ist es auch nicht auf Hamburg beschränkt.

Und doch ist nun auch einmal der Senat gefragt. Denn wahr ist auch: Dieser Fall ist keinesfalls das einzige Indiz für ein generelles Problem Hamburgs bei der Inneren Sicherheit. In einer Stadt, in der regelmäßig Autos brennen, in der eine Horde Wildgewordener eine Polizeiwache beinahe erstürmen und dabei Polizeiwagen in Brand setzen kann, in der man der Messerstecherei auf dem Kiez seit Jahren nicht Herr wird und die institutionalisierte Randale auf der Schanze nicht in den Griff bekommt – in einer solchen Stadt wächst bei vielen Menschen das subjektive Gefühl, bedroht zu sein.

Vom Kiez kann man sich im Zweifel fernhalten – aufs Busfahren aber kann man nicht so leicht verzichten. Umso unverständlicher ist es, dass der HVV bisher kein einheitliches Sicherheitskonzept besitzt. Kameras helfen meist bei der Fahndung nach den Tätern. Dem Opfer aber helfen sie nicht. Um eine brutale Tat zu verhindern, braucht es Menschen, nicht Kameras.

2001 hat die CDU gemeinsam mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill aufgrund der Angst vieler Hamburger vor der Gewalt die Macht im Rathaus erobert. Viele Menschen hatten damals das Gefühl, sie könnten sich nicht mehr sicher in ihrer Stadt bewegen. Eine Rückkehr der Angst könnte die CDU 2012 viele Stimmen kosten.

In gekürzter Form erschienen in WELT und WELT ONLINE am 19. Februar 2010

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