Ende des Spiels

Ole von Beust hat Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich einen Rat gegeben: Sie solle mit der Hand auf den Tisch hauen, um für Ordnung zu sorgen. Womöglich hat er recht, die Sache hat nur einen Haken: Beust selbst hält sich nicht an den Anspruch, ein Regierungschef müsse für Klarheit und Ruhe zu sorgen. Seit Monaten zögert und zaudert er bei der Frage, ob er 2012 noch einmal zur Wahl antritt.

Aus den Reihen der möglichen Nachfolger wird derweil eifrig verbreitet, wie amtsmüde der Bürgermeister sei. Von Beust dementiert halbherzig, aus der CDU-Prominenz wird nachgestreut, und wieder kommt ein schwächliches Dementi des Mannes, der eine harte Hand fordert. Vielleicht hat das Spiel, das die CDU treibt, für eine gewisse Zeit einen begrenzten Unterhaltungswert. Ein Bundesland regieren kann man so nicht.

Nun ist es legitim, dass ein Nachfolger für sich einfordert, das Amt frühzeitig vor der nächsten Wahl zu übernehmen. Und doch ist die Vehemenz, mit der sich Innensenator Ahlhaus schon im März zum künftigen Bürgermeister ausrufen ließ, nicht eben hanseatisch zu nennen. Denn damit hat er die Autorität Ole von Beusts untergraben. Dass sich mit Sozialsenator Dietrich Wersich nun ein weiterer potenzieller Kandidat meldet, zeigt, dass nicht alle mit dem Prozedere glücklich sind.

Sicher ist: Ahlhaus hat seinen Aufstieg, anders als Wersich, durch parteiinterne Bündnisse abgesichert. Nicht sicher ist, ob die CDU mit ihm eine Wahl gewinnen könnte. Der Heidelberger Jurist ist zwar ein gewiefter Taktiker und Wahlkampfmanager. Aber er selbst zählt eher zum rustikaleren Politikertypus und entspricht nicht unmittelbar dem Bild des hanseatischen Bürgermeisters. Mediziner Wersich dagegen ist in Hamburg verwurzelt, hat Abitur am Johanneum gemacht und ein Theater geleitet und steht stärker für die moderne Großstadt-CDU. Mit seinem differenzierten Auftreten ist er auch beim Koalitionspartner GAL beliebter. Zugleich aber wird ihm mangelnde Durchsetzungskraft nachgesagt.

Leicht lädiert indes sind beide: Wersich hat die zur Unzeit präsentierte Kita-Gebührenerhöhung zu verantworten. Ahlhaus hat mit einer Dienstwagenaffäre gepatzt – und zeichnet mit den Stellenstreichungen bei der Polizei auch für die schwierige Sicherheitslage verantwortlich, die sich fast täglich in Autobränden und Messerstechereien manifestiert.

So oder so: Die Hamburger erwarten eine Entscheidung. Zuallererst vom Bürgermeister.

Erschienen am 16. Juli 2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

5 Kommentare

  1. Mensch Herr Gärtner, irgendwie kommt mir Ihre flotte Schreibe bekannt vor. Und was Sie alles wissen! Ich glaube, ich weiß auch was, nämlich wer Sie sind, und wie Ihr wahrer Name lautet. Aber ich werde nichts verraten – sonst verbannt man Sie noch auf eine Insel. Falls Sie da nicht schon sind. Herzlichst, jmw

  2. Guten Tag. Meine Name ist Paul Gärtner. Ich wohne in einem Postfach im Hamburger Rathaus. Ok, das ist in diesen Tagen nicht ganz komfortabel, aber in meinem Alter nimmt man, was man bekommt. Und wer kann sich schon immer seine Nachbarschaft aussuchen …

    Jetzt ist es Samstag. 17.Juli 2010. 16.24 Uhr. In 24 Stunden wird sich der CDU-Landesvorstand im Leinpfad zur mit großer Spannung erwarteten Landesvorstandssitzung treffen. Alle werden sie da sein, der lächelnde Schira, der Waldmensch Kruse (übrigens der soll immer noch im Niendorfer Gehege als Hilfsförster wohnen) und und und. Auch meine Kollegen werden da sein von der Hamburger Weltpresse, so ein Schnäppchen will sich ja niemand entgehen lassen. Endlich mal wieder etwas los.

    Und natürlich wird ER auch da sein. Ole von Beust. ER wird sich dann den lieben Parteifreunden erklären und danach vielleicht auch der Stadt. Nein nicht vielleicht, sondern ganz sicher. Mann und Frau der hamburgischen Christdemokratie werden betroffen sein, Mann und Frau (wobei das Mann im Leinpfad überwiegt) werden IHM danken und sagen, wie gerne Mann und Frau doch mit IHM weitergearbeitet hätten. Kitagebührenerhöhungssenator Wersich wird dabei betroffen auf seine Fußspitzen schauen. Der Pferdefreund Ahlhaus wird hingegen seinen Kopf wissend hin und herwiegen und einstimmen in den Chor der Betroffenheit und doch insgeheim von der ersten Sitzungminute an seine neuen Schäfchen zählen. Seine Frau wird so stolz auf ihn sein. Dabei taucht die Frage auf, ist eigentlich jede neue First Lady von der CDU tätowiert?
    Herr Frigge wird sich an diesem Abend doch etwas zurückhalten müssen, denn schließlich darf ausgerechnet diese nun freiwerdende Stelle nicht den Einsparungen zum Opfer fallen. Die Senatssprecherin Breuer wird ihren alten Kollegen von der BILD später an diesem Abend davon berichtenkönnen, dass sich der Senat mit Nix aber auch gar nicht Nix noch nicht beschäftigt hat.

    Das wird schon ein Spaß in knapp 24 Stunden.

    Gespannt darf man sein, wer bei der politischen Konkurrenz das Wettrennen um die erste Stellungnahme gewinnen wird.

    Mein Tipp: Die FDP.

    Herr Salo wird Neuwahlen fordern, schließlich brauche die Stadt nun dringend einen Neuanfang und endlich wieder die FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft. An dieser Presseerklärung feilt der Chefliberale wohl bereits seit Tagen.

    Olaf Scholz wird den Abgang von Bürgermeister von Beust als honorig bezeichnen, IHM für seine Arbeit als Bürgermeister danken und dann davon sprechen, dass die weitere Entwicklung nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden werden könnte. Dass Herr Scholz damit in erster Linie seinen eigenen Kopf meint, wird er in seiner Stellungnahme natürlich nicht erwähnen. Gleichwohl wird er Herrn Meyer-Wellmann die Frage verbieten lassen, ob nun Herr Ciftlik als zukünftiger Senatspressesprecher eines von Herrn Scholz geführten Senats in Frage kommt. Auch dass Herr Schreiber von der SPD Mitte den sozialdemokratischen Wersich gegeben hat, und sich bereits als Senator ins Gespräch gebracht hat, wird Olaf Scholz geflissentlich übergehen und betonen, dass die SPD bereit ist, aber alle Fragen zur gegebenen Zeit klären wird. Herr Neumann wird nicken, jede Wette. Wie groß der Ruf nach Neuwahlen bei der SPD sein wird, hängt sicherlich auch von den morgigen Außentemperaturen ab. Wie anfällig Sozis für Hitze sind, hatte in diesen Tagen ja bereits der alte Bürgermeister Voscherau mit seinem Vorschlag bewiesen, man möge doch einen Minderheitssenat nach Düsseldorfer Modell bilden. Die Sonne kann ja so auf die Birne brennen.

    Und dann sind wir auch schon bei den Grünen. Wir werden morgen erleben, in welch vielfältigen Variationen immer wieder das Gleiche ausgesprochen wird: „Augen zu und durch.“

    Und die Linken werden es tolerieren oder auch nicht. Von Düsseldorf lernen geht doch so schnell.

    Nehmen wir es einfach morgen, wie es kommt. Und sollte es kommen, dann kommt es. Schließlich wäre das Ganze doch auch ein Betrag zur Inneren Sicherheit in Hamburg:

    Ein unfähiger Innensenator folgt einem amtsmüden Bürgermeister ins Amt und kann der Stadt nun endlich einen neuen und fähigen Innensenator präsentieren. Das wäre doch auch schon etwas. Schließlich kann man sich seine Nachbarn ja nicht aussuchen.

    Schöne Grüße

    Ihr
    Paul Gärtner

  3. @Herbert Schalthoff: Gut möglich. Er ist auch nicht mit diesem Ziel gekommen, denke ich. Eigentlich wollten wir über Volksentscheid und Wohnungsbau reden. Das Andere hat sich erst im Interview ergeben, weil wir ihn da nicht so einfach rauskommen lassen wollten. Aber mit Ahlhaus eine Wahl zu gewinnen, dürfte nicht leicht sein. Die CDU-Kreisfürsten haben womöglich den Blick fürs Wesentliche verloren: die Wähler.

  4. ich glaube, das interview von wersich hatte weniger die aufgabe und den sinn, sich selbst als geeigneten kandidaten zu empfehlen als durch das lostreten einer öffentlichen kandidatendiskussion den zuerst ins rennen gegangenen zu schaden und wenn möglich zu verhinden

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