Schwarz-Grünes Weiter-so in Hamburg:

Aufbruch geht anders

Koalitionen werden zwischen Parteien geschlossen, nicht zwischen Personen. Das ist wahr, aber es ist nur die halbe Wahrheit. Denn mit dem Abgang Ole von Beusts verliert nicht nur die Stadt einen hervorragenden Repräsentanten und die CDU einen brillanten Wahlkämpfer. Auch das schwarz-grüne Projekt verliert sein Gesicht – just in dem Moment, in dem es mit seinem zentralen Vorhaben, der Schulreform, gescheitert ist.

Warum also sollte Schwarz-Grün weitermachen? Welche Impulse kann dieser Senat der Stadt noch geben? Was hat dieses Projekt der links- und rechtsbürgerlichen Wiedervereinigung Hamburg (außer harten Sparmaßnahmen) noch zu bieten? Diese Fragen hätte der designierte Beust-Nachfolger Christoph Ahlhaus spätestens bei seiner Nominierung am Wochenende klar beantworten müssen. Er hat es nicht getan. Man hat jede Diskussion über politische Inhalte beim CDU-Parteitag vermieden. Dabei gäbe es einiges zu besprechen – nicht nur in der Bildungspolitik.

Stattdessen hat Ahlhaus einen neuen Senat präsentiert, der wenig Glanz verströmt und einige Fragen aufwirft. Dass er den 71 Jahre alten Unternehmer Ian Karan zum Wirtschaftssenator machen will, der in den vergangenen Jahren vor allem als Schill-Freund und als Hamburgs fleißigster Partygänger durch die Zeitungen geisterte, galt vielen zunächst als Coup. Ein erfolgreicher Unternehmer mit Migrationshintergrund schien gut zu passen zu einem schwarz-grünen Senat. Spätestens seit Karan am Wochenende einräumen musste, dass er seine Vita an einigen Stellen geschönt und noch 2004, also lange nach Schills Rauswurf, hohe Beträge an dessen Partei gespendet hat, ist er zum Problem für den Senat geworden. Auch die Berufung des gerade erst als Kulturstaatsrat entlassenen Reinhard Stuth zum Kultursenator wirkt wie das Gegenteil eines Aufbruchsignals. Und dann ist da noch Carsten Frigge. Dass Ahlhaus ihn im Amt des Finanzsenators belässt, obwohl gegen ihn wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue ermittelt wird, zeigt, dass er keinen echten Schnitt machen will.

Das Signal für einen Neuanfang hat Schwarz-Grün am Wochenende nicht gegeben. Bestenfalls ein Signal, dass man bis 2012 halbwegs ordentlich zu Ende regieren will.

Erschienen am 23. August 2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

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