Politiker haben es gut, denn sie haben Pressesprecher. Die kann man, wie jüngst Finanzminister Wolfgang Schäuble, benutzen, um seine schlechte Laune öffentlich abzureagieren. Man kann sie auch vorschicken, wenn man selbst keine unangenehmen Fragen beantworten will. So hat es am Dienstag Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) getan, der es nicht für nötig befand, das Aus für HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher persönlich zu verkünden – und es den Hamburgern zu erläutern. Stattdessen schickte er seine Senatssprecherin mit einer dürren Erklärung vor.
Dieses Vorgehen ist in zweierlei Hinsicht symptomatisch. Erstens zeigt es, wie mutlos, ja ängstlich die Hamburger CDU mittlerweile agiert (oder besser: nicht agiert). Stets hatte Ahlhaus verkündet, er wolle ein „Bürgermeister zum Anfassen“ sein; kaum aber wird es handfest, da ist er weg.
Die Hoheit über die Entscheidung in der Causa Nonnenmacher hatte die Hamburger CDU ohnedies nicht mehr. Der Fall hat auch dem letzten Beobachter klargemacht, dass die Grünen Ahlhaus und die Hamburger CDU längst nach Belieben vor sich hertreiben. Platzt nämlich die Koalition, ist es für die CDU vorbei mit der Macht im Rathaus – für die GAL nicht. Sie hat mit der erstarkten Scholz-SPD schon den nächsten Partner parat.
Das gestrige Wegducken des CDU-Bürgermeisters ist aber auch noch in einem zweiten Punkt symptomatisch: Es belegt, dass die politische Klasse der Hansestadt bis heute nicht bereit ist, Verantwortung für das zu übernehmen, was sie selbst mit und in der halbstaatlichen HSH Nordbank angerichtet hat. Es ist müßig, erneut die Zockermentalität zu geißeln, mit der Steuermilliarden auf den Roulettetisch geworfen wurden. Inakzeptabel bis heute aber ist es, dass weder Ex-Bürgermeister Ole von Beust noch seine Finanzsenatoren Wolfgang Peiner oder Michael Freytag sich für diese Gefährdung des Gemeinwohls entschuldigt oder sich wenigstens zu ihren Fehlern bekannt haben. Sie haben alle stets nur eins getan: sich weggeduckt und sich herausgeredet. Diese Tradition hat Christoph Ahlhaus gestern fortgesetzt.
Wer keine Verantwortung übernehmen will, der soll es lassen. Wer es aber lässt, der kann nicht Hamburger Bürgermeister sein.
In leicht abgewandelter Form erschienen am 10.11.2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.
Der vorletzte Absatz ist für mich das Wort zum Sonntag: Respekt.