Schwarz-Grüne Agonie:

Das Ende eines Experiments

Das schwarz-grüne Experiment in Hamburg mag vielleicht nicht in Gänze gescheitert sein – aber es ist faktisch beendet. Was wir derzeit im Rathaus erleben, ist die bewusste Selbstdemontage einer Koalition. Da treibt der GAL-Fraktionschef Kerstan den CDU-Bürgermeister in Sachen HSH Nordbank ohne Rücksicht auf die Koalitionsharmonie öffentlich vor sich her. Da stellt CDU-Fraktionschef Schira die grüne Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch bloß, indem er die Bestrebungen zu einer Reform des Notensystems als unsinnig geißelt. Und nun tritt, mitten in der Beratung des schwierigsten Haushaltes seit Jahrzehnten, der CDU-Finanzsenator Carsten Frigge zurück. All das zeigt, dass dieses Bündnis inhaltlich und personell am Ende ist.

Zeichnete sich Schwarz-Grün zu Beginn im Jahre 2008 durch einen ausgesprochen vertrauensvollen Umgang der Partner miteinander aus, so grenzen sich die Koalitionäre derzeit gegeneinander ab, wo immer es geht. Es gibt auch kein gemeinsames Projekt mehr. Die Schulreform ist gescheitert, die Stadtbahn würde wohl auch keinen Volksentscheid überstehen. Was bleibt, ist ein monatelanges Ringen um den Haushalt, das noch mehr Streit verspricht.

Letztlich zeigt sich, dass das bundesweit beachtete schwarz-grüne Experiment den Abgang seines Initiators Ole von Beust nicht überstanden hat. Mögen die Akteure behaupten, es gehe in der Politik um Inhalte und nicht um Personen. Wahr bleibt doch: Es geht immer und vor allem um die Menschen, die eine Zusammenarbeit organisieren. Hinzu kommt ein Bundestrend, der CDU und Grüne weit auseinandergetrieben hat.

Für alle Zeiten aber dürfte diese Wiedervereinigung von konservativem und linkem Bürgertum nicht vom Tisch sein. Unter anderen Bedingungen ist eine Wiederauflage hier oder dort durchaus denkbar. Denn dass CDU und Grüne prinzipiell harmonisch regieren können, harmonischer als Union und FDP in Berlin, das haben sie in den ersten Jahren der Wahlperiode in Hamburg bewiesen.

Erschienen am 25. November 2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

 

2 Kommentare

  1. …sind sich vorallem einig darin, dass sie die drängenden sozialen Fragen der Stadt nicht interessieren. Da hat erstmals auch die GAL ihr Gesicht gezeigt. Von Sozialwohnungen bis Kita-Gebühren, Familienpass und Hilfen zur Erziehung: die grüne Schleimspur hat kein Problem beim Kürzen, Streichen und Melken.

  2. Exakt. Grüne und moderne CDU sind sich ähnlich. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft zwingt zu ungewohnten Koalitionen. Und deshalb wird es auch vor der nächsten Bürgerschaftswahl keine Koalitionsaussagen geben – außer vielleicht, dass Linke und CDU nix miteinander machen. Obwohl….

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