Eine Kugel für Peg

Die Hamburger Grünen wollen eine „Ehe light“ einführen.
Es gibt sehr viele sehr gute Gründe dafür.

„Viele Menschen müssen mit ihrer Enttäuschung leben“, hat Al Bundy mal gesagt. „Aber ich muss mit meiner schlafen.“ Al Bundy, Sie wissen schon, das ist dieser erfolg- und ehrgeizlose Schuhverkäufer aus der 90er-Jahre-US-Serie „Eine schrecklich nette Familie“, den seine Ehe mit der dämlichen Kettenraucherin Peg zum Zyniker gemacht hat. Nichts hasst er mehr als den periodischen Zwang, seine ehelichen Pflichten zu erfüllen.

Na klar, aus allgemeinem Lebensleid und nicht genossener Sexualität entstehen die prächtigsten römischen Religionen und die besten Sprüche. Aber das muss ja nicht sein, finden die Hamburger Grünen.

Die Grünen sind ja im Grunde das genaue Gegenteil von Al Bundy: Niemals zynisch, immer gut und gütig, sie lieben Wald, Wolken, Butterblumen und kluge Gespräche, sie sind menschlich und erfolgreich und akademisch und gerecht und tolerant, und bei all dem haben sie natürlich den besten Einblick in die wahren Verhältnisse und tiefsten Realitäten des irdischen Daseins. Deswegen wissen sie um die unerträgliche Angst der Menschheit vor der Ehe.

Aber die Grünen wären nicht die Grünen, wenn sie nicht auch hier längst das passende Rezept parat hätten. Es lautet: Gegen Eheleid hilft Ehe light. Man soll sich fortan kein „Ewigkeitsversprechen“ mehr geben müssen, um Steuerklasse drei zu bekommen, hat der scheidende GAL-Vize Anjes Tjarks jetzt vorgeschlagen. Bei akuter Ehephobie sollen Paare einen leicht löslichen Zivilpakt schließen dürfen, sich „Verpakten“, ein neues Modell, angesiedelt zwischen klassischer und wilder Ehe. Der Vorschlag hat die Ewigkeitsversprecher (ich bin seit dem Urknall verheiratet) und Verzichtspapisten auf den Plan gerufen, die nichts als die Ehe wollen (in der viele nebenher die Sekretärin beglücken oder den Paketdienstboten zum zweiten Frühstück hereinbitten). Es gibt, das haben Soziologen x-fach bewiesen, keine stabilere Lebensform als die selbstbewusst gelebte bürgerliche Doppelmoral.

Dabei eröffnet die Ehe light womöglich ganz neue Horizonte. Die erste Frage eines meiner (wegen des Testosterons) kahlen Kollegen lautete: „Kann man zusätzlich zur Ehe eine Ehe light eingehen?“ Nicht, dass er eine ewige Ehe mit einer Lightversion bekräftigen will (das wäre Margarine auf die Butter schmieren). Nein, ich fürchte, ihm schwebt die nackte Vielweiberei vor, legitimiert durch kluge grüne Männerversteher.

Ich für meinen Teil bin da monogamer veranlagt. Ich habe ja auch keine Peg geheiratet wie dieser Schuhverkäufer. „Wir machen uns ein gemeinsames Weihnachtsgeschenk“, hat Al Bundy seiner Frau irgendwann vorgeschlagen. „Ich kauf mir ’ne Knarre, und du bekommst die Kugel.“

Erschienen am 1. Oktober 2011 in WELT und WELT ONLINE in der Rubrik „Hamburger Momente“. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel “Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind” auch als eBook bei Amazon, und zwar hier

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