Genosse Busfahrer

Meine Söhne müssen jetzt in die Partei. Sonst wird in Hamburg nichts aus ihnen.

„So Jungs“, sage ich, „ihr tretet jetzt in die SPD ein.“
„Was ist denn die SPD?“, fragt Paul. „Ich bin doch schon im NTSV.“

Der NTSV ist ein Sportverein und mein sechsjähriger Sohn ein ziemlich unpolitischer Mensch.

„Die SPD ist eine Partei“, sage ich, „so was wie eine Firma. Sie wird in Hamburg wieder für 40 Jahre alles bestimmen, also bis 2051, und wenn ihr außer Freizeitkicker etwas werden wollt, wenn ihr groß seid, müsst ihr da jetzt mitmachen.“

Dann erzähle ich von früher, vor 2001, als in Hamburg die Chefs aller Energieunternehmen und die von Hochbahn und Arbeitsamt in der SPD waren, außerdem fast alle Präsidenten der Gerichte, der Vorstand der Hafenfirma HHLA, der Friedhofs-, der Gewerkschafts- und der Polizeichef und sogar der von Lotto.

„Echt jetzt, Lotto?“, fragt Pauls zehnjähriger Bruder Max. „Haben dann die Leute von der SPD immer die vielen Millionen gewonnen?“

„Kann sein“, sage ich und muss grinsen, weil mir der Gouverneur des mexikanischen Veracruz einfällt, den ich bei der Begleitung einer Bürgermeisterreise einmal getroffen habe. Der hat schon zweimal die staatliche Lotterie seines Gouvernements gewonnen, ein echter Glückspilz.

Jedenfalls lasse ich nicht mit mir diskutieren. Meine Söhne sollen es einmal besser haben.

„Kann man bei der SPD auch Fußballprofi werden?“, fragt Paul. „Krieg ich dann einen neuen Trainer?“
„Nein, aber man kann Gerichtspräsident, Fernsehjournalist, Polizeichef oder Bezirksamtsleiter werden.“
„Ich will aber nicht Bezirkleiter werden. Ich will Stürmer werden.“

Ich versuche es noch einmal und erzähle, dass die SPD gerade die Chefs von Wandsbek und Harburg rausgeschmissen hat, weil die in der CDU waren, also einer anderen Partei, und dass da jetzt SPD-Leute bestimmen. Dass sie den CDU-Mann gefeuert hat, der sich um Menschen ohne Arbeit kümmerte und auch den Polizeichef, damit das welche aus der SPD werden. Ich erzähle, wie toll die zusammenhalten, die SPD-Leute, und dass sie „Genosse“ zueinander sagen.

„Langweilig“, sagt Max. „Und Harburg ist mir Wumpe.“

Letzter Versuch. „Irgendwann“, raune ich, „sind sicher auch alle Busfahrer in der SPD. Dann steigt man einfach ein und sagt ‚Moin, Genosse Busfahrer‘ und muss nichts bezahlen. Außer man ist in der CDU.“
„Papa, wir fahren mit dem Rad.“

Ich gebe auf, am Ende muss jeder seine eigenen Fehler machen. Aber sie treten mal wieder nach und spielen ihren ewigen Trumpf.
„Wenn Du willst, Papa“, singt der feixende Chor der Unbestechlichen, „dann können wir ja abstimmen.“

Erschienen am 7. Januar 2012 in WELT und WELT ONLINE in der Rubrik „Hamburger Momente“. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel “Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind” auch als eBook bei Amazon, und zwar hier

 

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