Lieber einen Schutzengel

Himmlischer Beistand ist einem Besuch der Notaufnahme des Universitätsklinikums Eppendorf in jedem Fall vorzuziehen. Denn das Chaos im UKE könnte im schlimmsten Falle eher krank machen als gesund.

Wenn Paul wie am Spieß schreit, ist der Spaß vorbei. Unser Siebenjähriger neigt nicht zum Markieren (die Kleineren sind immer die härteren), und als er am Wochenende neben dem Ehebett liegt, weil er beim Gerangel mit dem großen Bruder rausgesegelt und mit dem Rücken auf einen Stapel Bücher und einen Haufen Lego-Darth-Vaders nebst imperialer Raumflotte gekracht ist, da halten wir vor Schreck die Luft an.

Er wimmert, er könne sich nicht bewegen. Eine Viertelstunde später ist der Krankenwagen da, und obwohl Paul die Beine spürt, wird entschieden: UKE, Notaufnahme. Sicher ist sicher.

Wenn nur die Retter das Vakuum in ihre Trage bekämen, damit das Ding sich aufpumpt. Hochmodernes Gerät. Aber neu, und wann funktioniert schon irgendwas beim ersten Mal? Also wälzen sie den Kleinen hin und her, längs und quer, und tragen ihn auf der wabbligen Matte wacklig die Treppe runter in den Krankenwagen. Die überflüssige Sirene soll wohl die Panne mit der Trage ausgleichen.

Das UKE: Ein Gewusel von Beinverletzten, Armverbrannten, schreienden Kindern, grantigen Alten und einem hektischen Heer von Pflegern und Schwestern. Nur keine Ärzte weit und breit.

Nach zwei, drei, vielen Stunden ein Röntgenbild. Warten. Statt der Ärztin kommt ein Pfleger und bringt uns zum MRT. Warum? Weiß keiner. 20 Minuten Röhre, zwei Stunden sitzen.

Längst rennt Paul herum, nicht zu bremsen. Niemand kümmert sich, niemand spricht mit uns. Fatal, wäre er wirklich am Wirbel verletzt. Transport und UKE hätten ihm den Rest gegeben.

Am Ende aber ist doch alles gut. Welch ein Glück: Schutzengel sind besser organisiert.

Erschienen am 21. April 2012 in WELT und WELT ONLINE in der Rubrik „Hamburger Momente“. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

 

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