Von selbst wird die Luft nicht besser – auch nicht in Hamburg

Die EU hat Deutschland erneut wegen einer zu hohen Konzentration von giftigen Stickoxiden in der Luft der Ballungsräume abgemahnt. Die Politik sitzt das Problem seit Jahren aus – oder hängt einem falschen Glauben an. Wie der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Mein Kommentar aus dem Hamburger Abendblatt.  

Jeder darf bekanntlich glauben, was er will. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz glaubt nach allem, was man weiß, zum Beispiel nicht an einen Gott – dafür aber an die weltenrettende Kraft der Ingenieure.

Die Techniker sollen uns mit ihren immer neuen Erfindungen nicht nur das Leben angenehmer machen. Sie sollen auch die Schöpfung (oder schlichter: den Planeten) bewahren helfen. „Ingenieurgetriebener Umweltschutz“ ist eines der Lieblingswörter des SPD-Politikers.

Dahinter steckt ein auch politisch angenehmer Gedanke: Niemand muss mühsam sein Verhalten ändern. Die Techniker sorgen schon dafür, dass unsere Autos, Flugzeuge und Fabriken bald keine Gifte mehr ausstoßen.

Wie praktisch! Dann müssen Politiker auch keine Konflikte mit den Wählern eingehen, die sogar für die 400 Meter zum Bäcker ihren SUV hochfahren.

Nichts gegen Ingenieure. Allein: Die Scholz-Rechnung geht nicht auf. Sonst würden unsere Autos, Flugzeuge oder Motorräder nach Jahrzehnten der umweltpolitischen Debatten nicht immer noch so viel Gift und Lärm verbreiten und so viel Kraftstoff verbrauchen.

Und die Ingenieure hätten längst Motoren erfunden, mit denen die 1999 festgesetzten Grenzwerte für das giftige Stickoxid wenigstens 2015 eingehalten würden.

Aber Pustekuchen! Ingenieure erfinden nämlich nicht Dinge, die Politikern die Arbeit des Regierens abnehmen.

Sie erfinden Dinge, mit denen sich auch Geld verdienen lässt. In Deutschland lässt sich zum Beispiel gut mit großen Dieselfahrzeugen verdienen, die die Luft besonders belasten. Weil der Bund die Nutzung von Diesel steuerlich fördert.

Städte wie Hamburg haben auch deswegen keine andere Wahl mehr: Sie müssen die Bürger dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern und öfter auf Rad oder Bahn umzusteigen, damit die Luft besser wird.

Dazu muss wohl auch der Autoverkehr eingeschränkt werden, etwa durch das Verknappen und Verteuern von Parkplätzen. Konflikte sind da kaum zu vermeiden.

Die Erfahrung mit dem Nichtraucherschutz aber hat zweierlei gezeigt: Erstens arrangieren wir Menschen uns schnell, wenn eine vernünftige Lösung durchgesetzt wird. Und zweitens: Von selbst wird die Luft einfach nicht besser.

Erschienen am 25. Juni 2015 als Kommentar im Hamburger Abendblatt. Der Nachrichtenartikel zum Thema findet sich hier

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