Warum Hamburgs Bürgermeister Scholz die Kammerrebellen fürchtet

Der Wahlkampf zum Plenum der altehrwürdigen Handelskammer Hamburg wird so hitzig ausgefochten wie nie zuvor. Was das für die Politik in der Hansestadt bedeutet, die traditionell eng mit der auf der Rückseite des Rathauses residierenden Kammer kooperiert, habe ich mir in einer „Woche im Rathaus“ im „Hamburger Abendblatt“ mal näher angesehen. 

Manche behaupten ja, die beiden Herren seien sich ähnlich. SPD-Bürgermeister Olaf Scholz und Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz sind beide von eher übersichtlicher Statur, tragen darin aber ein sehr großes Selbstbewusstsein spazieren. Beide sind manische Fakten-Checker und arbeiten sich, wenn nötig, bis zur Halskrause in Themen ein. Und beide mögen es nicht, wenn man ihnen danach noch widerspricht. Schließlich kann ihnen in punkto Kompetenz dann ja niemand mehr das Wasser reichen.

Damit war’s das aber auch schon mit den behaupteten Gemeinsamkeiten der beiden Männer, die im Rathaus und auf dessen Rückseite am Adolphsplatz die Töne angeben. Denn während der Bürgermeister ausweislich jüngster Umfragen bei den Hamburger ausgesprochen beliebt ist, entwickelte sich der Kammer-Chef in den vergangenen Jahren zur öffentlichen Reizfigur. Der gebürtige Saarburger Schmidt-Trenz, der die Handelskammer bereits seit 1996 führt, muss wie kein anderer als der Repräsentant einer angeblich hochmögenden Pfeffersack-Arroganz herhalten.

Kammer beharrt auf Rolle als Zweit-Regierung

Als Gründe für diese Wahrnehmung werden angeführt: Er lasse sich mit mehr als einer halben Million Euro Jahresgehalt x-fach besser entlohnen als Bürgermeister oder Bundeskanzlerin und, anders als Scholz, lege er Wert darauf, dass seine Bedeutung nach innen und außen immer wahrnehmbar sei. Und er sorge dafür, dass die Kammer auf ihrer Rolle als eine Art Zweit-Regierung beharre – und bisweilen so tue, als würden Kammer-Gesetz und Gerichtsurteile für sie nicht von übermäßigem Belang sein.

bildschirmfoto-2017-01-08-um-17-30-49Auch aus Senatskreisen heißt es, mancher habe sich bei der jüngsten Silvesterrede von Präses Fritz Horst Melsheimer statt Trotz einen etwas selbstkritischeren Ton gewünscht – schon aus strategischen Erwägungen. Ein kleines Zeichen wenigstens dafür, dass man begriffen hat, dass sich die Zeiten ändern. Dass man in einer Ära, in der die größten Wirtschaftsführer Kapuzenpulli tragen und wie ihre Mitarbeiter mitten im Großraum sitzen, etwas lockerer und demütiger agieren müsse.

Die Kammer stehe keinesfalls zuletzt so in der Kritik, heißt es dann aus dem Umfeld der Hamburger Regierung, weil sie schlechte Arbeit mache – sondern vor allem, weil sie ein Stück weit in der Außendarstellung den Kulturwandel verpasst habe. Was eben passieren könne, wenn in einer Institution über Jahrzehnte derselbe Mann den Ton angebe.

Mulmiges Gefühl angesichts der Grabenkämpfe

Von Olaf Scholz ist bekannt, dass er es nicht in Ordnung findet, wenn Geschäftsführer städtischer Unternehmen sehr hohe Gehälter beziehen und womöglich sogar deutlich mehr als der Hamburger Bürgermeister verdienen. Das gilt vermutlich ähnlich für die Handelskammer, immerhin als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine quasi teilstaatliche Institution. Deswegen mag Scholz schon wegen dessen Gehalt durchaus kritisch auf Schmidt-Trenz blicken. Gleichwohl dürfte dem Bürgermeister angesichts der seit Jahren innerhalb der Kammer tobenden Grabenkämpfe mittlerweile auch etwas mulmig zumute werden. Sollten nämlich bei der am 16. Januar beginnenden Plenarwahl die „Rebellen“ von „Die Kammer sind WIR“ die Macht in der Repräsentanz der Kaufmannschaft übernehmen, wüsste niemand so genau, ob es die Kammer in dieser Form noch weiter geben würde. Ihr Ende als berechenbarer Partner allerdings wäre für die Politik ein gravierendes Problem.

„Jeder Senat ist in Hamburg bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auf eine funktionierende Handelskammer angewiesen“, betont der Scholz-Intimus und Chef der Senatskanzlei, Christoph Krupp, am Freitag. „Es ist für die Politik wichtig, dass die unterschiedlichen Wirtschaftszweige ihre Interessen in den Kammer-Ausschüssen miteinander abstimmen und die Kammer dann Stellungnahmen abgibt, die von großen Teilen der Wirtschaft getragen werden. Damit können wir politisch arbeiten.“ Das sei bei Großprojekten wie dem Überseequartier wichtig, aber auch im alltäglichen Geschäft. „Bisher funktioniert das sehr gut“, so Krupp. „Wir hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.“

Rebellen: Meinungsbildung anders koordinieren

Man wisse nicht so genau, ob man auch mit den Vertretern der WIR-Gruppe so zusammenarbeiten könne, heißt es aus dem Rathaus – sollten die mit ihrem Versprechen, die Pflichtbeiträge abzuschaffen, gewinnen, den Präses stellen und den Hauptgeschäftsführer ablösen. WIR-Frontmann und Unternehmensberater Tobias Bergmann versucht zwar, die Wogen zu glätten. Man wisse um die Aufgaben der Kammer – diese gehöre weiterhin ins „Zentrum der Macht“, so Bergmann zu Wochenbeginn bei der Präsentation seines Programms. „Wir wollen aber die Meinungsbildung anders koordinieren. Es soll nicht mehr so sein, dass bestimmte Positionen einfach untergepflügt werden.“ So wie es die Kammerführung etwa beim Netzerückkauf mit der offenen Positionierung gegen den Rückkauf getan habe – womit sie viele Unternehmer übergangen habe, die den Rückkauf für sinnvoll hielten, so Bergmann.

Dabei fürchten die 260 Mitarbeiter am Adolphsplatz keinesfalls irgendwelche Reformen oder eine zurückhaltendere Linie – viele von ihnen haben mittlerweile nackte Angst um ihre Jobs. Denn müsste die Kammer von 2020 an ohne Beiträge auskommen, wie es die Bergmann-Truppe plant, würde an vielen Stellen vieles rasiert werden müssen. Auf die Frage, wie sie die vielen Aufgaben der Kammer – bei dualer Ausbildung, Außenhandel, Integration von Flüchtlingen oder Beratung – gewährleisten wolle, gibt WIR eher luftige Antworten. Dann ist zum Beispiel von Effizienzsteigerungen die Rede. Ein durchgerechnetes Konzept oder konkrete Vorschläge, wie der Wegfall der Einnahmen kompensiert werden soll, hat WIR bisher nicht vorgelegt.

Ton zwischen Konkurrenten verschärft sich

Das konkurrierende Wahl-Bündnis der „Traditionalisten“ von „Vorfahrt für Hamburg“ um Logistik-Manager Willem van der Schalk warf den WIR-Leuten denn in dieser Woche auch „Populismus“ vor – und präsentierte ein Gutachten, nach dem man die Beiträge gar nicht abschaffen könne. Das dritte Bündnis, „Unternehmer für Hamburg“ um Medienmanager Robin Houcken, schlug derweil vor, Firmen für die Teilnahme an der Kammerwahl Beiträge zu erlassen. Bevor die 160.000 Unternehmer in gut einer Woche ihre Stimme abgeben können, verschärft sich derzeit in den sozialen Medien noch einmal der Ton zwischen den Konkurrenten – fast wie bei einer Bürgerschaftswahl.

Politiker allerdings wissen, dass man Wahlkampf-Attacken nicht persönlich nehmen darf. Auch deswegen können sie nach Wahlen schnell in den Arbeitsmodus zurückschalten. Ob das auch die Hamburger Kaufleute schaffen, wird sich ab Mitte Februar zeigen – nach dem Ende der hitzigsten Kammerwahl aller Zeiten.

Erschienen als Kolumne in der Rubrik „Die Woche im Rathaus“ am 7. Januar 2017 im „Hamburger Abendblatt“.

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