Omikrons Bescherungen

Ausbrüche unter 2G+ und keine Kontaktnachverfolgung mehr. Angebliche mildere Verläufe bei zusammenbrechenden Systemen. Was die neue Variante uns beschert und welche Versprechungen die Politik bricht. Ein Weihnachtskommentar.

Die gute Nachricht passend zum Fest zuerst: Die neue Corona-Variante Omi­kron scheint zu etwas milderen Krankheitsverläufen zu führen als das bisher vorherrschende Delta. Darauf jedenfalls deuten einige Studien hin. Zudem schützt das Boostern wohl passabel vor Infektion oder schwerer Erkrankung auch bei dieser Version des Erregers.

Insgesamt ist die Lage zu Beginn des dritten Pandemiejahrs trotzdem nicht feierlich. Denn die Geschwindigkeit, mit der sich Omikron verbreitet, könnte die Kliniken gleichwohl über ihre Belastungsgrenzen bringen, weil viel mehr Menschen als bisher gleichzeitig erkranken – und einige weiterhin schwer. Auch der kritischen Infrastruktur von Polizei und Feuerwehr bis zu Wasser- und Stromversorgern drohen wegen massenhafter Krankmeldungen Probleme.

Angesichts dieser Gefahr ist es kein gutes Zeichen, dass Hamburgs Behörden im Kampf gegen Omikron offenbar die Waffen gestreckt haben. Eine vollständige Kontaktnachverfolgung gab es augenscheinlich selbst bei Ausbrüchen in Clubs oder Kitas nicht, bei denen die Variante nachgewiesen wurde. Von Omi­kroninfizierten benannte Kontakte werden laut Betroffenen teilweise gar nicht, oder nicht zeitnah informiert – bisweilen seien die Ämter nicht erreichbar. All das passt nicht zur Ankündigung des Bürgermeisters, man wolle die Omikronausbreitung in Hamburg gezielt verlangsamen, um mehr Zeit für Booster-Impfungen zu haben.

Vermutlich war dieses Versprechen angesichts der schon riesigen Deltawelle schlicht nicht zu halten. Das ist auch deshalb misslich, weil Omikron bisherige Schutzkonzepte in Teilen zunichtemacht. Selbst zu 2G-plus-Veranstaltungen, an denen nur negativ getestete Geimpfte oder Genesene teilnehmen dürfen, verschafft sich die neue Virusversion locker Zugang. Das zeigt der Ausbruch im Musikclub Waagenbau. Dabei dürften zwei Faktoren eine Rolle spielen: Die Doppelimpfung wirkt gegen Omikron weniger gut. Und Antigentests sind bei Geimpften wohl häufiger falsch negativ.

Schon sehr bald dürfte Omikron auch in Hamburg das Geschehen dominieren. Dann geht es weniger um Nachverfolgung – sondern vielmehr darum, die bisher größte Infektionswelle dieser Pandemie mit anderen Mitteln zu brechen. Sofort helfen könnte eine fröhliche, aber auch vorsichtige Weihnacht.

Erschienen als Kommentar am 24. Dezember 2021 im „Hamburger Abendblatt“.

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