Rot-Grün am Rande der Klimakatastrophe

Zwischen Hamburgs SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher und dem grünen Umweltsenator Jens Kerstan hat es mal wieder geknallt. Es geht um sehr grundsätzliche Fragen der Klimapolitik – und den Umgang miteinander in der Koalition. Meine Kolumne „Die Woche im Rathaus“ aus dem „Hamburger Abendblatt“.

Zugegeben, auf den ersten Blick fällt die Ähnlichkeit nicht auf, wenn man SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher und seinen Quälgeist, den grünen Umweltsenator Jens Kerstan, miteinander vergleicht. Hier der fast haarlose Genosse, ein gertenschlanker Asket, der in seiner Freizeit gerne durch die Berge wandert, bei der Arbeit durch die Harry-Potter-Brille jede Nachkommastelle aller Vorlagen persönlich prüft und manche Dinge gerne geräuschlos regelt. Und dort der bisweilen etwas verstrubbelte Grüne, der jeden Winter (meist nur mittelmäßig erfolgreich) mit Almased versucht, den Bauch zu bändigen, der Whiskey und Mallorcas Sonne liebt und einem gepflegten Zoff niemals aus dem Weg geht.

Und doch gibt es eine Parallele: Sowohl Tschentscher wie auch Kerstan haben ein Gespür für wichtige Themen – und beide wollen diese unter eigener Kontrolle behalten. Beide sind Alpha-Politiker, die sich die Butter niemals von der Stulle stehlen lassen – und die zur Not auch Ellenbogen ausfahren können. Das hat sich dieser Tage wieder gezeigt.

Keine Einigung: Tschentscher kassiert das Thema Klima erstmal ein

Natürlich ist Klimaschutz das derzeit wichtigste Thema. Das zeigen nicht nur Umfragen, sondern auch die extremen Brände in aller Welt, die Temperaturrekorde und Überschwemmungen – und der jüngste Bericht des Weltklimarates sowieso. Wenn die Menschen noch ein paar Generationen gut auf dem blauen Planeten leben wollen, müssen sie umsteuern. Jetzt. Und ziemlich radikal.

Schon vor der Bürgerschaftswahl 2020 hatte Tschentscher das Thema im Wahlkampf für sich entdeckt – und nach der Wahl setzte er eine Senatskommission für Klimaschutz und Mobilitätswende ein, der er selbst vorsitzt. Damit will der Senatschef weiter den Daumen auf diese wichtigen Zukunftsthemen halten. Für die Grünen fühlt sich das an, als wildere der Bürgermeister mitten in ihrem Revier – denn für Klimaschutz und Verkehr sind die Grünen-Senatoren Kerstan und Anjes Tjarks verantwortlich.

Dabei werfen Grüne der SPD vor, das Klimathema nur aus PR-Gründen vor sich herzutragen. „Die Sozis reden nur“, heißt es von den Grünen mantraartig. „Aber wenn auch nur eine konkrete Autospur wegfallen soll, legen sie sofort ihr Veto ein.“ Die SPD kontert stets mit der Feststellung: „Die Grünen wollen zwar immer ganz viel, → weiterlesen

Seid endlich ehrlich beim Klimaschutz!

Die Hütte brennt. Und wir sitzen drin. Wir brauchen jetzt radikale Maßnahmen. Und die werden vielen weh tun. Mein Leitartikel aus dem „Hamburger Abendblatt“

Wenn die Menschheit noch ein paar Jahrhunderte einigermaßen angenehm weiterleben möchte auf diesem schönen Blauen Planeten, dann muss mit zwei Missverständnissen ein für alle Mal aufgeräumt werden – und zwar noch heute. Das erste Missverständnis: Ob der Klimawandel menschengemacht ist, weiß man gar nicht so genau – und falls es so ist, wird man die Folgen doch erst in vielen Jahrzehnten merken. Wird schon nicht so schlimm. Zweites Missverständnis: Den Klimawandel zu stoppen wird einfach – und keinem wird es wehtun.

Der neue Bericht des Weltklimarates IPCC hat es klargemacht wie nie zuvor: Der Mensch macht seinen eigenen Lebensraum kaputt. Seine Form, zu wirtschaften, zu heizen, sich fortzubewegen, verändert diesen Planeten so sehr, dass er bald zumindest in weiten Teilen für Menschen nicht mehr gut bewohnbar sein könnte. Und die Geschwindigkeit, in der die Erde sich aufheizt, ist noch höher als befürchtet, so die Experten. Mehr Dürren und Starkregen, Stürme, Brände und Überflutungen sind die Folgen.

Die Hütte brennt. Und wir sitzen drin. Und diskutieren. Über Politikerbücher.

Was das bedeutet, sehen wir seit Monaten in den Nachrichten: immer neue Temperaturrekorde mit bis zu fast 50 Grad, zerstörerische Brände am Mittelmeer und tödliche Überflutungen – nicht nur in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Wenn es ganz schlecht läuft, könnte laut IPCC irgendwann der atlantische Golfstrom abreißen – mit schwerwiegenden Folgen für Europa. Mithin: Die Hütte brennt. Seit Jahrzehnten. Und wir sitzen drin. Und diskutieren, ob es denn wirklich brennt und was das bedeuten könnte und ob man den Menschen überhaupt zumuten kann, etwas gegen das Feuer zu unternehmen.

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Der Kampf um Hamburgs Grün

Bisher prägen Bäume und Parks das Bild der Stadt. Aber wird das trotz der Errichtung von 10.000 Wohnungen pro Jahr und des Ausbaus von Infrastruktur und Gewerbe so bleiben? In diesen Wochen fallen dazu wesentliche Entscheidungen. Meine Analyse aus dem Magazin des „Hamburger Abendblatts“

Es gibt einen Namen, auf den sie in der Hamburger Umweltbehörde derzeit mit einer mittelschweren Allergie reagieren: Sandro Kappe. Denn der 35-Jährige, der ihn trägt, treibt die Mitarbeiter des grünen Senators Jens Kerstan nahezu in den Wahnsinn, seit er 2020 für die CDU in die Bürgerschaft eingezogen ist und den Bereich Umweltpolitik übernommen hat. Jeden Monat stellt der Bramfelder Abgeordnete Dutzende Kleine Anfragen zu Baumfällungen, Grünpflege oder Gewässern. Mit seiner politischen Hyperaktivität habe Kappe bisweilen ganze Abteilungen lahmgelegt, heißt es entnervt aus dem bunten Behördenbau an der S-Bahn-Station  Wilhelmsburg.

Das Engagement des rührigen CDU-Manns trifft den Senat dabei vermutlich gleich doppelt. Erstens machen die Anfragen viel Arbeit – denn sie müssen nach Rechtslage stets binnen acht Tagen beantwortet werden. Und zweitens zwingt Kappe die Kerstan-Behörde immer wieder zu Antworten, die nicht optimal in das PR-Konzept der „Grünen Metropole am Wasser“ passen. So hat er gezeigt, dass es um den Baumbestand längst nicht mehr so gut steht, wie der Senat bisweilen glauben machen will – und dass mitnichten alle Fällungen einheitlich dokumentiert und alle Bäume ersetzt werden, die Wohnungsbau oder Radwegen weichen müssen. Er zwang die Stadt auch zum Eingeständnis, dass es weniger Geld für Grünpflege gibt als benötigt – und dass die Regierenden gar nicht so genau wissen, wie stark die Versiegelung der Stadt in den vergangenen Jahren zugenommen hat, wie sehr also das Grün dem Grau weichen musste.

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Wie Rüstungsfirmen und umstrittene Banker SPD-Wahlkämpfe finanzierten

Kleine Erinnerung für die SPD – damit sie nicht zu lautsprecherisch wird, wenn es jetzt (völlig zu Recht) um Verfehlungen der Union in der Maskenaffäre geht: In Hamburg hat sie ihren Wahlkampf auch gerne mal von Waffenfirmen oder von Bankern finanzieren lassen, denen im Zuge von CumEx-Geschäften massiver Betrug am Steuerzahler vorgeworfen wird.

Dabei war es für die Hamburger SPD in den vergangenen Jahrzehnten offenbar auch kein Problem, dass Spitzengenossen, → weiterlesen

Wird der Föderalismus zu einer Abwärtsspirale für Deutschland?

Neben dem Corona-Chaos ist auch etwas anderes mittlerweile wirklich richtig schlimm am Föderalismus, finde ich: Er führt offenbar zunehmend in eine Abwärtsspirale. Landespolitiker reden sich immer häufiger damit raus, dass sie mit ihren schlechten Ergebnissen ja noch besser sind als andere Länder.

Gerade wieder in der Landespressekonferenz in Hamburg: Da hat der Schulsenator Ties Rabe (SPD) ungefähr ein Dutzend Mal gesagt, Hamburg sei bei der Digitalisierung der Schulen besser als andere Bundesländer. Schon 95 Prozent der Schulen hätten WLAN.

Ich meine: Wir haben 2021, oder?
Und es gibt noch Schulen ohne WLAN?
Und das ist ein Erfolg?

Das ist eben nur dann ein ganz toller Erfolg, wenn sich deutsche Bildungsminister gegenseitig an ihrer Ambitionslosigkeit messen. Würde sich Hamburg mit Stockholm, Kopenhagen, Tallin oder so vergleichen, wäre das Ergebnis vermutlich zu peinlich. Dann lieber mit Bremen, Saarland, Thüringen.

Die Deutschen wollen ihr Land offenbar nicht energisch verbessern. Sie wollen nur in ihrer eigenen PR gut dastehen.

Nico Lumma hatte das Grundproblem ja in meiner jüngsten Wochenendkolumne auf den Punkt gebracht: „Digitale Bildung liegt in Deutschland überall völlig im Argen. Da hilft der Vergleich mit anderen katastrophalen Zuständen nicht, um dann zu sagen: Von 16 Nichtskönnern sind wir in den Top 3.“

Auch bei den Infektionszahlen haben Länderchefs ja immer gerne darauf verwiesen, dass ihre (hohen) Zahlen ja doch noch sehr gut seien im Vergleich mit dem-und-dem Land. Anstatt sich an den Besten zu messen, misst man sich offenbar lieber an den Schlechtesten – um sich gut zu fühlen und sich nicht zu sehr anstrengen zu müssen. Wo soll das eigentlich hinführen?

Wie seht Ihr das?

(Dieser Beitrag war zuerst im Wesentlichen ein viel diskutiertes Facebook-Posting)