Gereizte Stimmung bei Schwarz-Grün

In der schwarz-grünen Hamburger Koalition kriselt es – Die jüngsten Umfragen machen es nicht leichter – CDU-Basis skeptisch gegenüber der Schulpolitik – Wie lange bleibt Ole von Beust noch im Amt?

Zu Beginn galt es als riskantes Experiment, dann überraschte das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene in Hamburg durch ein ausgesprochen harmonisches Miteinander. Nun aber, nach fast der Hälfte der Legislaturperiode, gerät die Koalition aus CDU und Grün-Alternativer Liste (GAL) immer stärker unter Druck. Das ehrgeizigste Projekt des Senats, die Einführung einer sechsjährigen Primarschule, droht am Widerstand von Eltern, Schülern und Lehrern zu scheitern. Jetzt steht Schwarz-Grün zum zweiten Mal bei einer Umfrage ohne Mehrheit da.

Nach einer aktuellen Psephos-Erhebung im Auftrag der „Bild“ verliert die CDU mehr als sechs Prozent gegenüber der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 und käme derzeit nur noch auf 36 Prozent der Stimmen. Die GAL profitiert zwar von dem Bündnis, gewinnt drei und kommt auf 13 Prozent, kann die Verluste des Koalitionspartners aber nicht auffangen. Dass die Regierungsmehrheit für CDU-Bürgermeister Ole von Beust nicht mehr steht, liegt vor allem an den Zugewinnen der FDP (jetzt acht Prozent) und der Linken (acht).

Die Umfrage bestätigt einmal mehr, dass es vor allem die Schulpolitik ist, die die Hamburger umtreibt – und dass Schwarz-Grün dabei die Mehrheit gegen sich hat. Nach der Befragung halten nur elf Prozent die Einführung der Primarschule für richtig. Mehr als zwei Drittel finden die Reform entweder falsch (20 Prozent) oder fordern eine Überarbeitung (50 Prozent) – kein gutes Ergebnis für die Zweite Bürgermeisterin und Bildungssenatorin Christa Goetsch von den Grünen, die ihr Vorhaben bisher weitgehend kompromisslos vorantrieb.

Erst vor zwei Wochen hatte die Volksinitiative „Wir wollen lernen“ fast 185 000 Unterschriften gegen das grüne Lieblingsprojekt eingereicht. Der Senat setzte daraufhin den angesehenen Unternehmer Michael Otto als Vermittler ein und signalisierte Entgegenkommen bei der Frage des Elternwahlrechts. Unversöhnlich dagegen gibt sich Schwarz-Grün bei der Frage des längeren gemeinsamen Lernens. Es soll bei der sechsjährigen Primarschule bleiben. Wie ein Kompromiss aussehen könnte, ist unklar. Sprechen sich die Hamburger bei einem Volksentscheid gegen die Reform aus, droht den Schulen ein Chaos.

Ein Abrücken von der Primarschule aber würde die grüne Basis nicht akzeptieren – geht es doch, nachdem man der Elbvertiefung und dem Bau des Kraftwerks Moorburg zustimmte, um das wichtigste grüne Vorhaben. Dass die Stimmung gereizter wird, zeigte sich auch fernab der Schulpolitik. So kritisierte die GAL die Wahl des von der CDU favorisierten neuen Uni-Präsidenten Dieter Lenzen als undemokratisch. Und die Grünen fordern zum Leidwesen der CDU eine Sonderprüfung der Nordbank. Auch beim Nichtraucherschutz einigte man sich nur mühsam.

Wie es mit der Koalition weitergeht, dürfte in erster Linie davon abhängen, ob sich die CDU-Basis trotz ihres Widerwillens vom Bürgermeister auf dem unpopulären Reformkurs halten lässt. Ausgemacht ist das nicht. Denn zuletzt hatte von Beust offengelassen, ob er 2012 noch einmal antritt. Und in der CDU gibt es einige, die ihn gerne beerben würden – und zwar im Amt des Bürgermeisters und nicht als Oppositionsführer.

Erschienen am 3. Dezember 2009 im Bundesteil von WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns WELT-Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

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