Darth Vader mistet aus

Lange habe ich gedacht, ich sei sicher. Jedenfalls in meiner Wohnung. Wo sonst soll der Mensch sich beschützt wähnen, wenn nicht unter der eigenen Neubaudecke? Dann aber machte sich etwas Böses breit in meiner Bude. Es war die dunkle Seite der Macht, die Besitz nahm von den Lokstedter Quadratmetern. Das Böse war rot und kam in länglicher Form über mich, als Schwert um genau zu sein, als Laserschwert in gräulicher Halterung, und es gab zischende Geräusche von sich. Und dann kam er aus dem Kinderzimmer: Darth Vader, das furchterregend durch eine schwarze Maske röchelnde Wesen aus „Krieg der Sterne“, das Fleisch gewordene Zentrum des Bösen.

Wenn ich Nachbarskinder mit Darth-Vader-Masken herumlaufen sah, war mir bisher immer klar, dass deren Eltern Versager waren. Erziehungsversager. Meine Söhne würden Musikinstrumente spielen, Sport treiben und ausgewählte Kinderbücher lesen. Wenig später gelangte das erste Schwert in die Wohnung, das zweite, die Maske. Schließlich einer der Filme und alsbald die nächtliche Angst meiner kleinen Klonkrieger vor dunklen Viechern von hinter Alpha Centauri.

Am Ende half nur Kika. Der Kinderkanal sendet neuerdings eine Serie mit dem Titel „Darth Vader privat“. Darin kann man dem maskierten Miesfiesling zusehen, wie er unbeholfen Rock ’n‘ Roll tanzt oder weint, weil er noch nicht in den Stimmbruch gekommen ist. Geheilt vom Laserwahn und der Angst vor schwarzen Mächten aber wurden meine Söhne durch eine andere Folge: Darth Vader versucht, sich eine Horde Elefanten gefügig zu machen – und wird am Ende gezwungen, deren Gehege auszumisten.

„Mach die Elefantenkacke weg!“, schreit ihn ein Wärter an und nötigt den Finsterling, sich eine grüne Schürze umzubinden und die Forke zu nehmen. „Kacke!“, nölt Vader – und schippt. Selten habe ich meine Söhne so befreit lachen hören. Seither schlafen sie gut, und die Laserschwerter liegen unter den Betten.

Kein schlechtes Rezept: Stellen wir uns diejenigen, die uns Angst einflößen, vor, wie sie in grünen Schürzen Elefantenkacke schippen. Wenn allein die Vorstellung nicht reicht, gehen wir zu Hagenbeck. Irgendwo dort werden wir ihn treffen: unseren ganz persönlichen Darth Vader, wie er stinkende Schubkarren schiebt.

Erschienen am 16. Januar 2010 in der Rubrik „Hamburger Momente“ in WELT und WELT ONLINE Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert