Klarheit statt Gewurstel

Der Streit über die vom schwarz-grünen Hamburger Senat geplante Einführung einer sechsjährigen Primarschule nimmt kein Ende. Nachdem die Reformgegner 184.000 Unterschriften gegen das Vorhaben sammelten, könnte es im Sommer zu einem Volksentscheid kommen. Ein Kommentar.

Es gibt Situationen im Leben, da sind Kompromisse nicht möglich. Es gibt keine halben Schwangerschaften, und es käme niemand auf die Idee, sein Wohnzimmer in vier unterschiedlichen Farben zu streichen, weil er sich mit Frau und Kindern nicht einigen kann. Wenn aber ein guter und tragfähiger Kompromiss unmöglich ist, hilft nur eines: eine klare Entscheidung. Möglicherweise wird diese Situation auch beim Streit über die Einführung der sechsjährigen Primarschule eintreten.

Es gibt gute Argumente für diese Reform – und es gibt gute dagegen, vor allem gegen die Art und Weise, wie sie den Hamburgern vorgesetzt wurde, und die Geschwindigkeit, mit der sie umgesetzt werden soll. Beide Seiten sind zunächst polemisch übereinander hergezogen. Die Reformgegner haben so getan, als sei die Einführung eines weltweit gültigen Standards wahres Teufelszeug. Und Schwarz-Grün hat versucht, die ehrlichen Bedenken Hamburger Eltern als „Gucci-Aufstand“ zu diffamieren. Nun reden die Kontrahenten zwar miteinander – eine tragfähige Einigung aber scheint kaum möglich.

Man kann diese Reform umsetzen, oder man kann es lassen. Vielleicht kann man auch ein wenig nachsteuern. Ein fauler Kompromiss allerdings könnte in einem schulpolitischen Gewurstel enden, das Hamburgs Schülern Schaden zufügen würde – mehr Schaden als jedes klare Ja oder Nein zu der Reform.

Ein Volksentscheid wäre deswegen keinesfalls eine Katastrophe. Im Gegenteil: Er würde für Klarheit sorgen und damit für Schulfrieden. Mit einer dann legitimierten Primarschule – oder ohne.

Erschienen am 22.01.2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns WELT-Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

2 Kommentare

  1. @Carola: Die Hamburger können sich ja festlegen – wenn es einen Volksentscheid gibt. Auch bei der Annäherungen vom Freitag erschließt sich mir jedenfalls bisher nicht, wie ein Kompromiss aussehen sollte. Fragt sich nur, wie sich die SPD bei einem Entscheid verhalten würde. Von wegen nicht festlegen und so. Denn die Genossen wissen ja seit Jahren am allerwenigsten von allen, was sie in der Bildungspolitik wollen – Gymnasien oder Schule für alle. Aber vielleicht legen sie sich unter Olaf Scholz ja beizeiten doch mal fest. 😉

  2. Das Kriegs-Vokabular nervt!!! Andererseits: das ist mal Politik ganz konkret. Und schon mag sich keiner festlegen – das zeigt auch der Kommentar. Es gibt auf beiden Seiten gute Argumente – soso. Auch im bisherigen System hätte es schon viele gute Argumente für bessere Schule gegeben.
    Übrigens – fragt eigentlich endlich mal jemand, wie es Eltern von jetzigen Viertklässlern geht?!

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