Quittung von den Konservativen

In Hamburg hat das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene die Hälfte der Wahlperiode hinter sich. Nach einer aktuellen  Umfrage hat die CDU seit der Bürgerschaftswahl 2008 fast zwölf Prozentpunkte eingebüßt, die Grün-Alternative Liste (GAL) hat dagegen fast sieben gewonnen.
Ein Kommentar.

Vielleicht stimmt die These, dass sich in einem schwarz-grünen Bündnis konservatives und linksliberales Bürgertum wieder zusammengefunden haben – nach einer tiefen Spaltung durch 1968 und seine Folgen. Wenn dem aber so ist, dann macht diese Wiedervereinigung keinesfalls alle Beteiligten glücklich. Denn sie geht voll zulasten der Konservativen. Die aktuelle Umfrage, nach der die CDU fast zwölf Prozentpunkte gegenüber der Bürgerschaftswahl 2008 verliert, während die GAL fast sieben gewinnt, belegt dies deutlich.

Die Grünen haben sich seit der Zeit der strickenden Langbärte und lila Latzhosen mehrfach gehäutet. Heute genießen ihre Wähler die höchsten Einkommen und den besten Bildungsstand und haben keine Probleme mehr mit Schlips und Kragen. Das mag erklären, warum sie mit dem schwarz-grünen Bündnis so gut zurechtkommen.

Bei den CDU-Wählern sieht das anders aus. Sie sehen in der aktuellen Koalition elementare Werte verraten. Sie fühlen sich, mehr als alle anderen, um die vor der Wahl zugesagte Schulpolitik betrogen, die die (humanistischen) Gymnasien zu schützen versprach. Viele von ihnen verstehen auch den Bürgermeister nicht mehr, der sich weniger um die Leistungsträger in den Schulen und der gesamten Stadt zu kümmern scheint – und stattdessen durch wiederholte Elitenkritik von sich reden macht.

Neben der gefühlten Heimatlosigkeit vieler Konservativer gibt es auch noch allerlei konkrete Gründe für den Absturz der Beust-Partei. Das Missmanagement beim Schneeräumen und der Elbphilharmonie und der Amtsmissbrauch des Bürgerschaftspräsidenten Berndt Röder haben sicher ihren berechtigten Anteil am Umfrageergebnis.

Viel schlimmer als all das aber ist für die CDU der Blick in die Zukunft: Wenn Ole von Beust abtritt, wird er seine Partei, so wie es heute aussieht, nicht nur ohne geeigneten Nachfolger zurücklassen – sondern auch ohne erkennbares politisches Profil.

Erschienen am 23. Februar 2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

3 Kommentare

  1. Stimmt. Als Mathematiker liefere ich zur Widerlegung meiner These noch ein paar Zahlen nach:
    10 – 11 – 12 – 13 – 11 – 16
    (Die letzten Umfragewerte der GAL in Hamburg.)

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