Warum Frauen viel weniger verdienen als Männer

In Hamburg verdienen berufstätige Frauen nach wie vor deutlich weniger als Männer – und der Abstand zwischen den Einkommen der Geschlechter ist sogar deutlich größer als im Bundesdurchschnitt. Das hat jetzt die Antwort des Senates auf eine Kleine Anfrage der GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Linda Heitmann ergeben. Danach verdienen männliche Arbeitnehmer in Hamburg inklusive Sonderzahlungen im Durchschnitt 4203 Euro brutto im Monat, weibliche dagegen nur 3337 Euro. Die Differenz von immerhin 866 Euro liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Deutschlandweit liegt der durchschnittliche Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen bei 709 Euro. Nur in Baden-Württemberg ist der Abstand zwischen den Verdiensten von Männern und Frauen mit 954 Euro noch größer als in Hamburg.

Der schwarz-grüne Senat nennt in der Antwort eine Vielzahl von Ursachen für die Gehaltsunterschiede. „In männerdominierten Branchen sind die Löhne durchschnittlich höher. Hinzu kommt, dass Frauen öfter Berufe im Niedriglohnsektor ausüben, insbesondere im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen“, so die Senatsantwort. Eine zentrale Ursache für die „deutlichen geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede“ sei die „geringere Anzahl von Frauen in Führungspositionen“. Zudem spiele die Betriebsgröße eine Rolle: In größeren Betrieben werde tendenziell mehr Lohn gezahlt, Frauen arbeiteten jedoch eher in kleinen Unternehmen. Frauen erhielten schließlich auch deutlich geringere variable Entgeltanteile, wie Sonderzahlungen oder Prämien, so die Antwort.

Auch in diesem Punkt ist die Ungleichheit in Hamburg besonders groß. Während Männer im Durchschnitt 463 Euro an Sonderzahlungen pro Monat erhalten, so sind es bei Frauen lediglich 292. „Hier bilden Hamburg und Hessen mit einer Differenz von durchschnittlich über 170 Euro zwischen den Geschlechtern ein trauriges Spitzenduo“, sagt die GAL-Abgeordnete Heitmann. „Insgesamt sind die Zahlen zu den Einkommensunterschieden erschreckend.“ Es springe ins Auge, dass es eine solche Lohnschere in den neuen Bundesländern kaum gebe, so Heitmann. So verdienten Männer in Sachsen-Anhalt im Schnitt sogar zehn Euro weniger als ihre Kolleginnen.

Eine weitere Ursache für die großen Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern ist offenbar die Tatsache, dass Beruf und Familie nach wie vor nicht einfach zu vereinbaren sind. „Die Entgeltungleichheit zwischen den Geschlechtern ist im jungen Alter direkt nach der Ausbildung vergleichsweise gering und nimmt ab dem vierten Lebensjahrzehnt deutlich zu“, so die Senatsantwort. „Der Grund dafür liegt in den Folgen der familienbedingten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit und/oder der Arbeitszeitreduzierung der Frau.“ In der Qualifikation ließen sich kaum noch geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen. Trotzdem zeige ein Vergleich von Frauen und Männern mit gleichem Qualifikationsniveau eine Lohnungleichheit. Zum Teil sei die Dauer der Betriebszugehörigkeit maßgeblich, die häufig den Lohn beeinflusse. Bei Frauen sei diese insgesamt niedriger, da sie die Berufstätigkeit eher unterbrächen als Männer. Gleichzeitig arbeiten Frauen vermehrt in Teilzeit, was geringeren Lohn zur Folge habe.

Verstärkt werde die Lohnungleichheit der Geschlechter auch durch das Steuerrecht, so der Senat. Das Ehegattensplitting begünstige „die ungleiche Teilhabe der Ehepartner am Erwerbsleben“. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz lasse zudem Klagen nur im Einzelfall zu. Die bei der Klägerin liegende Beweislast sei schwierig umzusetzen.

GALierin Heitmann appellierte gestern an die Arbeitgeber in Hamburg, „Frauen gezielter zu fördern und bei Löhnen und Prämien die gleichen Maßstäbe anzulegen“. Ganz oben auf der politischen Agenda müsse es stehen, gute Bedingungen für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen und Betreuungsangebote weiter auszubauen.

Abgesehen von den immensen Unterschieden zwischen den Geschlechtern steht Hamburg bei den Löhnen und Gehältern mit einem Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer von 3921 Euro brutto im Monat im Ländervergleich gut da. Nur die Hessen verdienen mit durchschnittlich 3924 Euro ein wenig mehr.

Erschienen am 7. September 2010 in der WELT. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

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