Kniende Blondinen

Wenn achtjährige Jungs auf Kondomautomaten stoßen,
helfen am Ende nur die Vertreter des Vatikans

Keine Ahnung, wie Sie das sehen, aber ich bin ein großer Anhänger der Aufklärung. Schließlich soll der Mensch nicht dumm durchs Leben gehen, sondern klug werden. Dazu hilft nicht nur das Wissen um unser Sterben, wie es uns Psalm 90 lehrt, sondern auch eine gewisse Alltagskenntnis, etwa zum Thema Sex.

Als ich kürzlich (vor der aktuellen Klimakatastrophe) mit meinem achtjährigen Sohn eine Toilette an der Ostsee aufsuchte, stießen wir auf einen Kondomautomaten, und mein Sohn blickte interessiert auf das Gerät und das darauf klebende Foto einer nackt und rittlings knienden Blondine und fragte, was das sei und was die da mache.

Ich bin Befürworter der situativen Spontanaufklärung, und also setzte ich vor dem vergilbten Handwaschbecken zu einem kleinen Vortrag über Liebe, Kinderentstehung und Kinderverhinderung an. Gerade arbeitete ich mich zum Thema körperliche Vereinigung vor, als ich bemerkte, dass mein Sohn sich, offenbar zu Tode gelangweilt, längst verdünnisiert hatte und schon wieder am Strand mit seinem Bruder Fußball spielte. Ich stand etwas düpiert da und nahm mir vor, mich beim nächsten mysteriösen Automaten kürzer zu fassen.

Seit vergangenen Mittwoch weiß ich, wie ich das Thema in zwei Sätzen komplett erledigen kann. „Natürlich ist das Kondom eine Sache, die im Prinzip für die Männer gilt“, hat Hamburgs katholischer Weihbischof Jaschke nämlich einem Hamburger Dudelsender und per Agenturmeldung hernach der gesamten Republik anvertraut. „Aber in einer Beziehung zur Frau kann das Kondom genauso eine Rolle spielen.“

Wiewohl ich überzeugter Protestant bin, werde ich diese weisen Sätze beim Katholiken Jaschke klauen. „Mein Sohn“, werde ich beim nächsten Kondomgerät sagen, „das hat was mit Männern zu tun, aber auch mit Frauen. Deswegen ist ja auch eine drauf auf dem Automaten.“ Warum die aber nichts anhabe und ihren Po vorstrecke? „Das, mein Junge, ist eine sehr kluge Frage. Vielleicht fragen wir demnächst mal einen katholischen Bischof. Der wird uns ratzfatz und abschließend erklären können, was es damit auf sich hat.“

Dann werde ich mich umdrehen und bemerken, dass der Kleene längst irgendwo da draußen „Tor“ brüllt.

In leicht veränderter Form erschienen am 27.11.2010 in WELT und WELT ONLINE in der Rubrik „Hamburger Momente“. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

 

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