Es gibt kein Recht auf Parkplätze

In Städten wie Hamburg gibt es nicht nur immer mehr Einwohner und Wohnungen – sondern auf begrenzter Fläche auch immer mehr angemeldete Autos. Mein Abendblatt-Leitartikel zum Thema. 

Das Problem beginnt mit einem Denkfehler. Wer hierzulande einen Pkw besitzt, ist fest von seinem Recht überzeugt, sein sperriges Stahlgefährt jederzeit auf öffentlichem Grund abstellen zu dürfen. In der Regel parkt er seinen Wagen für rund 23 Stunden pro Tag auf der Fläche der Allgemeinheit – in Wohngebieten meist ganz ohne zu bezahlen. Denn Autos werden zwar gelegentlich gefahren, die meiste Zeit aber stehen sie sinnlos herum.

Was dabei bisher wenig bedacht wird: Kaum etwas ist in Städten wie Hamburg so knapp und kostbar wie Platz. Müssten Autobesitzer eine marktkonforme Grundstückspacht für die zum Parken genutzten zwölf bis 20 Quadratmeter öffentlicher Fläche zahlen, würde das Autofahren in Metropolen schlagartig viel teurer. Weil es einen realistischen Preis bekäme.

Dass das nicht so ist, zeigt, wie sehr alle Steuerzahler das Autofahren in Metropolen bezuschussen. Und jetzt komme niemand mit der Kfz-Steuer! Die reicht vorne und hinten nicht, um damit neben Straßen- und Brückenbau, Folgekosten von Umwelt- und Gesundheitsschäden auch noch Jahrespacht für 20 Quadratmeter innerstädtischen Boden zu finanzieren.

Wie groß die Probleme durch die immer weiter wachsende Zahl regis­trierter Autos in einer immer enger werdenden Stadt sind, zeigt sich beispielhaft in Hoheluft-Ost. Eine Studie zu Zustand und Ausbau der Gehwege kam jetzt zu einer erschreckenden Annahme: In diesem eng bebauten Stadtteil seien wohl längst mehr Autos angemeldet als hineinpassten, so die Gutachter.

Es sei also gar nicht möglich, dass dort alle Pkw ordnungsgemäß geparkt würden. Folge: Obwohl Autos bereits den mit Abstand meisten Platz aller Verkehrsmittel beanspruchen, blockieren sie immer öfter auch Geh- und Fahrradwege und machen nicht nur Menschen mit Rollator oder Kinderwagen das Leben schwer, sondern behindern auch den Rad- und Fußverkehr.

Die Studie, die neben Hoheluft-Ost auch Alsterdorf untersucht hat, wirft damit nebenbei eine grundsätzliche Frage auf: Wie wollen wir unsere knappen Verkehrsflächen künftig verteilen? Ist es noch möglich und sinnvoll, einer immer weiter steigenden Zahl von Autos (Park-)Platz in einer räumlich begrenzten Stadt zur Verfügung zu stellen? Ist es unter ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten vertretbar, auch in engen Vierteln Tausende von Quadratmetern als Abstellflächen für Autos zu reservieren, die im Schnitt nur eine Stunde pro Tag von nur einer Person genutzt werden?

Oder könnten wir die Abertausende von Quadratmetern, auf denen heute unsere Stahlkarossen zwischengelagert werden, auch besser nutzen? Für breitere, barrierefreie Gehwege, lebendige Flaniermeilen – oder mehr Bänke, auf denen sich Nachbarn treffen und ein Schwätzchen halten? Für neue Kinderspielplätze oder kleine Grünanlagen in dicht bebauten Vierteln? Was könnte man nicht alles im Sinne der Anwohner mit den heute zugeparkten Flächen anfangen – wenn die Autos in Quartiersgaragen verschwänden und mehr Innenstädter auf einen Pkw verzichteten!

Das Auto ist in Städten das denkbar schädlichste Verkehrsmittel. Es kostet die Allgemeinheit viel Geld, ist laut, verpestet die Luft – und braucht Unmengen Platz. Deswegen wird es Zeit, auch die Verteilung und Nutzung städtischer Flächen neu auszuhandeln. Die Politik, die seit Jahren die Luftbelastung ignoriert und die Abgas-Betrügereien geduldet hat, darf sich vor dieser Diskussion nicht länger drücken.

Erschienen als Leitartikel am 24. Februar 2018 im Hamburger Abendblatt. Mit den Studien zu breiteren Gehwegen in Alsterdorf und Hoheluft-Ost befasst sich dieser Artikel (Abo). Mein Tweet zu diesem Leitartikel ist (für meine Verhältnisse) übrigens extrem häufig retweetet und geliked worden. Auch bei Facebook gab es sehr viele Likes und Kommentare. Die Abendblatt-Leser haben ebenfalls mit sehr vielen Mails reagiert. Erstaunlicherweise deutlich überwiegend mit Zustimmung – dabei hatte ich eher mit einem Shitstorm gerechnet. Offenbar setzt ein gewisses Umdenken bei den Stadtbewohnern ein. 

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