Was an meinem Umgang mit dem Thema Ida-Ehre-Schule falsch (und was aus meiner Sicht richtig) war

Das Vorgehen der Hamburger Schulbehörde gegen die Ida-Ehre Schule und die Berichterstattung darüber haben in dieser Woche für viele Diskussionen gesorgt. Dabei gab es auch viel Kritik an der Berichterstattung der Medien. Da ich in der Dienstagausgabe des Hamburger Abendblattes als Erster über das Vorgehen und die Einschätzungen des rot-grünen Senates berichtet habe (in einem großen Artikel auf der ersten Lokalseite und einem Kommentar auf der zweiten Seite der Printausgabe), muss ich mich dieser Kritik naturgemäß als Erster stellen.

Ich setze mich seit Tagen mit dieser teilweise sehr harten Kritik in den sozialen Medien, von den Kollegen anderer Medien und mit den Erklärungen der Schule und anderer Beteiligter und Interessierter auseinander und mache mir meine Gedanken über das Thema und meinen persönlichen Umgang damit. Denn für den Artikel und den Kommentar bin als Autor ausschließlich ich selbst verantwortlich.

Was die Berichterstattung grundsätzlich angeht, so bin ich nach vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Redaktionen zu diesem Schluss gekommen: Es war und ist richtig und nötig über den Sachverhalt selbst zu berichten. Es ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, dass die Schulbehörde die Schulaufsicht in eine Schule schickt, um Aufkleber und Graffiti zu entfernen, weil diese aus ihrer Sicht nicht nur gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, sondern auch politische Werbung für eine vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation darstellen. Auch die Anordnung einer Schulkonferenz zum Thema Neutralität ist kein alltäglicher Vorgang. Das ist einfach eine Nachricht – und damit war es unsere Aufgabe, darüber zu berichten. Dass das offenbar fast alle Kolleginnen und Kollegen auch in anderen Redaktionen so einschätzen, hat sich daran gezeigt, dass im Nachgang alle darüber berichtet haben, von NDR, RTL, Hamburg1 über Welt, Bild und Mopo bis zur taz und zu überregionalen Publikationen.

Ich bin vier Tage nach Erscheinen des ersten Artikels für mich allerdings auch zu dem Schluss gekommen, dass ich bei meiner Berichterstattung im Wesentlichen zwei Fehler gemacht habe:

Die Überschrift: Die Zeile „Linksextremisten agieren ungestört an Schule“ ist zwar durch die Einschätzungen des Verfassungsschutzes und Senatsantworten gedeckt gewesen. Gleichwohl hat sie uns bzw. mir den Vorwurf eingetragen, wir wollten uns damit letztlich auch die Diktion der AfD zueigen machen. Um diesen falschen Eindruck nicht weiter bei einigen unserer Leser zu erzeugen, habe ich die Überschrift jetzt nach Rücksprache mit unserem Online-Chef in der Netz-Version des Artikels abgeändert in „Behörde geht gegen Antifa-Werbung an Ida-Ehre-Schule vor“. Auch die Unterzeile habe ich angepasst. Es wäre besser gewesen, diese neutralere Überschrift von Beginn an zu wählen.

Der Kommentar: In dem am Dienstag erschienenen kurzen Kommentar unter der Überschrift „Sind Hamburger Lehrer ahnungslos?“ bzw. „Wenn Lehrer naiv sind“ habe ich zwar zu Beginn deutliche Kritik am AfD-Portal geübt und geschrieben, dass es mich an finsterste Zeiten erinnere, wenn Schüler aufgefordert werden, ihre Lehrer anzuzeigen. In den Absätzen danach aber habe ich aus meiner heutigen Sicht überzogen formuliert. Die Menschen nehmen Texte oft sehr unterschiedlich wahr, und es hat auch viel Zustimmung zu dieser Kommentierung gegeben. Da ich diesen Kommentar aber selbst so heute nicht wieder schreiben würde, habe ich ihn in Rücksprache mit unserem Online-Chef aus dem Netz genommen. Natürlich ist er damit nicht aus der Weltgeschichte verschwunden und ich muss dazu stehen, ihn geschrieben zu haben. Aber er ist aus heutiger Sicht so nicht mehr in Ordnung für mich. Eine Lehre, die ich daraus für mich selber ziehe: Auch und gerade in diesen schnellen und aufgeregten Zeiten kann es bisweilen besser sein, sich mit einer Meinung etwas länger zurückzuhalten – auch wenn das angesichts der Produktionszwänge des Medienbetriebs nicht immer ganz einfach ist.

Die Diskussionen werden in den kommenden Tagen und Wochen weitergehen: über das Vorgehen der Behörde, den Umgang der Medien mit dem Thema, die politische Neutralität von Schulen oder die Frage, ob die AfD eine Verschiebung des gesamten politischen Diskurses anstrebt und wie damit umzugehen ist. Diese Diskussionen sind wichtig. Ich selbst beobachte sie mit großem Interesse – und werde dabei versuchen, aus meinen Fehlern zu Beginn der Berichterstattung meine Lehren zu ziehen.

5 Kommentare

  1. @Jutta Starke: Meines Wissens zeigt das in ihrem Kommentar verlinkte Foto nicht Schüler der Ida-Ehre-Schule, sondern eine Solidaritäts-Aktion von Schülern einer anderen Schule. Ich vermute vom Gymnasium Allee, bin aber nicht ganz sicher.

  2. Schade, Herr Wellmann. Da haben Sie doch die AfD als „größten Lump im ganzen Land“ zunächst so richtig wie in Hamburg üblich gebasht und an finsterste Zeiten erinnert, und nun müssen Sie das Offensichtliche doch zurücknehmen. Linksextremismus und linke Lehrer gibt es halt im tiefroten Hamburg nicht, nicht wahr? Wie soll das in Hamburg weitergehen, wenn Nichtlinke sich nicht mehr trauen, eine Demonstration zu besuchen, zumal sie möglicherweise auf dem Heimweg nicht unverletzt bleiben?
    Bei Wikipedia können Sie nachlesen, ob jemand ein Denunziant ist: „derjenige oder die Partei, die zur Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit oder einen Teil derselben bei Ämtern und Behörden auf einen Missstand hinweist, ist niemals ein Denunziant.“ Hier noch ein Foto von den indoktrinierten Schülern der Ida Ehre
    Schule mit ihrem „Kunstprojekt“: https://scontent-ber1-1.xx.fbcdn.net/v/t1.0-9/54401872_2453090498043736_3338186017109704704_o.jpg?_nc_cat=100&_nc_ht=scontent-ber1-1.xx&oh=e635e8f166863bca5ac010b89d56f1f5&oe=5D4539DC
    Ich wünsche mir Journalisten ohne Schere im Kopf!
    Mit freundlichem Gruß

  3. Hallo Jens,
    wir sind zwar immer noch unterschiedlicher Meinung über ein paar Dinge, aber danke für das Korrigieren. Bin ich nicht so gewohnt von Deinesgleichen. Das ist der erste Schritt. Du solltest mal ernsthaft mit dem Claus von Dohnányi machen und den fragen, warum er die bürgerliche Mitte, auch zum Steigbügelhalter der Nazis sieht.Auch die SPD nahm er in die Pflicht. Keine Sorge, die Antifa fackelt nicht und wenn sind sie keine Antifaschisten. Punkt.

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