Am 31. Mai 2018 um 0 Uhr tritt das bundesweit erste Dieselfahrverbot in Hamburg in Kraft. Die Wut richtet sich gegen den grünen Umweltsenator. Verantwortlich aber sind ganz andere. Mein Kommentar aus dem Abendblatt.
Ja, es stimmt. Die Fahrverbote für ältere Diesel-PKW auf 580 Metern des 4000 Kilometer langen Hamburger Straßennetzes sind ungerecht und unsinnig. Sie werden die Belastung mit giftigen Stickoxiden nur anders verteilen und vielleicht sogar erhöhen – weil Dieselfahrer Umwege fahren, und andere Anwohner als die an der Max-Brauer-Allee das Gift einatmen müssen. Ungerecht sind sie, weil viele Menschen sich extra angeblich saubere Diesel mit geringem CO2-Ausstoß gekauft haben, um etwas für das Klima zu tun. Sie und die Anwohner an Ausweichstrecken (auch denen für die 1600 Meter LKW-Sperrung an der Stresemannstraße) sind nun die Gelackmeierten.
Genauer hinsehen muss man allerdings bei der Frage, wer all das zu verantworten hat. Wer da sofort auf Umweltsenator Kerstan zeigt, macht es sich zu einfach. Ihm sitzen nämlich EU und Gerichte im Nacken. Und die sind längst nicht mehr gewillt, eine Politik zu dulden, die der Autoindustrie jeden Betrug durchgehen lässt und die seit 2010 geltenden Grenzwerte ignoriert. Hätte der Senat dies an stark belasteten Strecken auch getan, wären ihm die nächsten Klagen sicher gewesen – nach dem jüngsten Leipziger Urteil sowieso.
Schuld an der Misere ist die mutlose Verkehrspolitik der Großen Koalition, die das Thema jahrelang von sich weggeschoben hat (Motto: Sollen sich doch Gerichte und EU unbeliebt machen). Und eine Autoindustrie, die lieber Software manipuliert als den Schadstoffausstoß zu senken – und so die Gesundheit von Stadtbewohnern weltweit riskiert. Was ist eigentlich der größere Skandal? Ein notgedrungenes Fahrverbot auf 580 Metern – oder dass solch ein Massenbetrug in Deutschland (anders als in den USA) ungestraft möglich ist?
Erschienen als Kommentar im „Hamburger Abendblatt“ am 31. Mai 2018.
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