Der Schira-Rap

Mysteriös ist das allemal. Vor allem aber ist es: saukomisch. Wer beim NDR hat wohl Hamburgs mächtigsten CDU-Mann Frank Schira, immerhin in Personalunion Chef der Landespartei und der Bürgerschaftsfraktion, so bloßstellen wollen – und dabei so großen Erfolg gehabt? Im Hamburger Rathaus hat ein NDR-TV-Reporter Schira offenbar um ein Statement zum Tode von Hamburgs Ehrenbürgerin Loki Schmidt gebeten. Der brabbelt zunächst munter drauf los, würdigt die verstorbene Naturschützerin als „Begrifflichkeit“, der er, und die CDU, ein „ehrenvolles Gedenken anheim stellen“ wollen.

Immerhin merkt Schira schließlich selbst, dass es „alles Quatsch“ ist, „was ich da gesagt habe“. Deswegen will er „nochmal machen“. Schuld an Schiras wirrer Rede ist aber seines Erachtens nicht etwa er selbst, sondern der Reporter.  „Sie müssen mir mal ne Frage stellen, näch, dann bekomm ich das n bisschen mehr drauf“, raunzt er den Medienmenschen an – und wedelt dabei wütend mit dem Zeigefinger.

Ob das nun nochmal gemacht wurde oder nicht – irgendein für Komik empfänglicher NDR-Mensch muss diese Tollpatscherei in die Mediathek des NDR gestellt haben, jedenfalls kurzfristig (mittlerweile ist das Filmchen wieder rausgeflogen aus der öffentlich-rechtlichen Verwertungskette). Bevor das Video wieder verschwand, wurde es aber offenbar mit einer Handkamera (oder mit einem Handy?) von einem Monitor abgefilmt – und kursiert nun im Netz.

„Alles Quatsch, was ich da gesagt habe“ hat dabei das Zeug zum Hit. Vielleicht wird irgendein Rapper es ja demnächst mit Musik unterlegen. Und dann singen alle den Schira-Rap: „Hey, brother, Du musst mir mal ne Frage stellen. Yo, dann bekomm ichs besser drauf.“

Wie lange es wohl dauert, bis der NDR zu dieser kleinen Miesfiesigkeit eine Stellungnahme abgeben muss?

Nachtrag 28.10.: Mittlerweile haben NDR und Frank Schira versucht, ihren gemeinsamen Fauxpas zu vertuschen – indem sie auf youtube alle davon kursierenden Videos löschen lassen haben. Kein Wunder. Denn für Schira ist das Video peinlich, weil es zeigt, dass er eigene Fehler offenbar gerne andern ankreidet. Und der NDR hat damit, dass dieses Filmchen in der vergangenen Woche offenbar sogar einmal ausgestrahlt wurde, gezeigt, dass er gelegentlich gern mal Müll sendet. Gebührenfinanzierten Müll. Naiv sind NDR und Schira im Duett, wenn sie glauben, dieses Video würde nunmehr auf öffentlich-rechtliches (und) CDU-Geheiß aus der Realität verschwinden. Aber unabhängig davon: Dieses Video ist viel zu schön, um es von NDR-CDU-Schira schnöde löschen zu lassen. Oder?

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4 Kommentare

  1. Vorbemerkung: Ich hab jeden Tag Satire. Dafür zahle ich Gebühren und kassiere Gehalt. Also KEIN Satireverbot (auch wenn ich – anders als Tucholsky – NICHT finde, dass Satire alles darf, bzw. dass unter der Überschrift „Satire“ jede Entgleisung zu entschuldigen ist). Ironieverbot? In der Politik uneingeschränkt JA. Merke: Das Wort heißt Iro-NIE. Und Iro-NIE setzt zur Entfaltung der intendierten Wirkung Intelligenz beim Rezipienten voraus. Anderes Thema.

    Zur Schira-Lage: Es ist eine Frage der Haltung, wie man mit so was umgeht, ganz recht. Mit solchen Lagen muss man als nicht nur als Politiker rechnen, und man muss es auch in einem gewissen Maße aushalten. In dieser Situation hat Schira aber den kleineren Fehler gemacht und der NDR den größeren. Dass sich der KLEINERE Fehlermacher vom GRÖSSEREN Fehlermacher jetzt (wahrscheinlich unbeabsichtigt) durch den Senf ziehen lassen muss, ist zumindest ungerecht. Erschwerend hinzu kommt, dass sich der Anlass der missglückten Schira-Performance (Trauer um Loki Schmidt) anders als z. B. das ebenfalls peinliche Thema „Ahlhaus im Ringel-Shirt“ nicht zum lockeren Return eignet – wie es die Regentin Ahlhaus in der heutigen Ausgabe der WELT praktiziert und wie es ihr Regent – allerdings leicht verkrampft – schon ein paar mal praktiziert hat.

  2. @C.H.: Bibel kann nie schaden! Und insgesamt haben Sie natürlich, wie immer wieder, recht. Andererseits: Wer sich in der Öffentlichkeit bewegt, muss sich gelegentlich auch mal belästern lassen. Sie wollen doch sicher kein Ironie- oder Satireverbot, oder?

  3. Wollen wir wetten, dass all wir Amüsierten „Kampagne! Kampagne!“ schreien, wenn es uns selbst erwischt? Eine Analogie zu Splitter und Balken übrigens (für die Bibelfesten).
    Was ich am meisten zum Kotzen finde: Politiker amüsieren sich – bei Facebook etc. – derzeit darüber, dass sich einer der ihren (wenn auch einer aus dem anderen Club) ungewollt zum …. – dass er sich ungeschickt verhält. Politiker erzählen also, dass Politiker Idioten sind. Und wundern sich hinterher, dass sie für Idioten gehalten werden – bzw. von Journalisten zu Idioten gemacht werden, die es sich auch nicht leisten können.
    PS, jmw: und dass sich die Moralapostel, die Alleswisser, die Bessermacher kritisch oder sogar SELBSTkritisch mit ihrem Treiben auseinandersetzen – das ist dann die Sache mit Kamel und Nadelöhr. Was schon wieder nur die Bibelfesten verstehen. Vielleicht sollten Journalisten und Politiker mal (wieder) in der Bibel lesen.

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