Facebook und Hamburgs TV-Revoluzzer

Ein Aufstand der Hamburger TV- und Radio-Sender verhindert Gebühren für Berichte zur Bürgerschaftswahl am 20. Februar 2011. Der CDU-Senat wollte den Anstalten bis zu 20 Euro pro Quadratmeter Studiofläche im Congress Center berechnen. Nach Boykottdrohungen und einem Proteststurm im Internet lässt er das jetzt lieber.

Angeblich sind Internetnetzwerke wie Facebook in der Lage, Regierungen zu stürzen – weil sie den Unzufriedenen eine Möglichkeit zur Organisation geben. Ob das wahr ist, steht dahin, zu vermuten ist jedenfalls, dass Facebook mittlerweile auch den Hamburger Senat beeinflusst. Ein Indiz ist der Streit über das jüngste Vorhaben der Senatspressestelle, von den TV- und Radiosendern Gebühren für die Berichterstattung am Tag der Bürgerschaftswahl zu erheben. Maximal 20 Euro pro Quadratmeter Standfläche im CCH sollten die Sender zahlen, wie ihnen die Senatssprecherin Kristin Breuer mitteilte.

Mit der Heftigkeit des Widerstandes hatte man im Rathaus offenbar nicht gerechnet. So drohten einige Sender, die teilweise mehrere Hundert Quadratmeter Fläche benötigen, stante pede mit einem Boykott der Berichterstattung. Auch bei Facebook tobte der Sturm der Entrüstung. Nachdem der Landespolitik-Chef des TV-Senders Hamburg 1, Herbert Schalthoff, das Senatsansinnen bei Facebook veröffentlicht hatte, hagelte es Kommentare im Minutentakt – von Medienleuten und Abgeordneten. Sat.1-Moderator Ulf Ansorge regte an: „In dem Fall sollten wir alle eigentlich einfach wegbleiben! Dann wäre keine Kamera da, in die unsere Politiker hineinlächeln könnten, und kein Mikro würde die üblichen Schönrednereien aufzeichnen.“ Und CDU-Schulpolitiker Marino Freistedt kommentierte: „Ich bin überrascht – sogar unangenehm überrascht. Deshalb werde ich auch nachfragen, was das soll!“ Auch andere prominente Politiker lästerten oder sahen gar eine „Einschränkung freier Berichterstattung“. Angesichts des Widerstandes zog der Senat sein Vorhaben entnervt zurück.

Dabei hatte man im Rathaus durchaus eine Begründung für die Gebühren. Ursprünglich, so Breuer, sollte das Wahlzentrum in der Handelskammer eingerichtet werden – was weitaus günstiger wäre als das CCH. Dort hätten die Sender aber erst am Freitag vor der Wahl aufbauen können, was ihnen nicht gereicht habe. Daher habe man das teure CCH anmieten müssen und die Sender legitimerweise an den Mehrkosten beteiligen wollen. Daraus wird nun nichts. Die geschätzten Mietkosten von rund 100 000 Euro zahlt jetzt der Steuerzahler. Danke, Facebook!

Erschienen am 19. Januar 2011 in WELT und WELT ONLINE.

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