Politik mit Gummi

Lasst Euch nicht blenden! Am Ende kann nur eine Partei halten, was sie im Hamburger Wahlkampf verspricht.

Bisher habe ich immer gedacht, die Linke träte für die Rechte der Schwachen ein, aber jetzt fordern die auf ihren Wahlplakaten allen Ernstes die Abschaffung von Hartz IV. Ja, liebe Linke, wovon sollen die Arbeitslosen denn dann leben? Sollen sie vielleicht auf der Mö betteln gehen, während Euer Vorsitzender mit dem Porsche hinauf zu seiner feinen Almhütte brettert? Oder ist das eine perfide politische Strategie, um die Verelendung zu beschleunigen und die Revolution zu forcieren? Womöglich einer der Wege zum Kommunismus, die Eure andere Vorsitzende alle ausprobieren will?

Aber in Wahrheit verstehe ich viele Plakate nicht. Die grüne Spitzenfrau Anja Hajduk etwa bietet sich als Mathelehrerin an: „Mit mir kann Hamburg rechnen.“ Dabei konnte sie als Stadtentwicklungssenatorin jahrelang nicht sagen, was ihre geliebte Stadtbahn kosten würde, weil es ihr zu schwierig auszurechnen war. Und die von ihr mitbeschlossene Kita-Gebührenerhöhung, die angeblich nur drei Prozent der Eltern treffen sollte, müssen am Ende 18 Prozent bezahlen. Also rechnet Hamburg vielleicht besser mit jemandem, der das auch kann, oder?

Auf einem dieser überdimensionierten Plakate des Herrn Ahlhaus von der CDU steht derweil irgendwas mit 25 Prozent, man kann das beim Vorbeifahren ja nie so genau lesen, und darunter: „Und nu?“ Vermutlich handelt es sich bei der 25 um das von ihm erwartete Wahlergebnis, und der Bürgermeister hätte mit seiner Frage von den Hamburgern gern gewusst, was er nach der Wahl arbeiten soll. Vorschläge kann man an die CDU-Zentrale am Leinpfad schicken. Vollends verwirrt hat mich die Frau von der FDP, die im Regenmantel erklärt, sie wolle „positiv handeln“. Seit wann ist Regen positiv, und was ist „positiv handeln“? Im Internet habe ich darunter als Erstes 20 Seiten zum Thema „Leben mit dem Aidsvirus“ gefunden. Vielleicht möchte die FDP, dass wir mehr Gummi benutzen. Das hilft gegen Regen und Ansteckung.

Und dann dieser Scholzkopf von der SPD, immer mit nur einem Wort daneben. Da habe ich zuerst „Verschnupft“ auf dem Plakat gelesen, vermutlich weil neben mir im Bus alle unentwegt geniest haben auf der Fahrt (vielleicht eine Politikallergie). Es steht natürlich „Vernunft“ rechts unter der Olafnase, aber ich bin nicht sicher, ob ein solches Wahlversprechen wirklich zu finanzieren ist. Diese Sozis versprechen immer alles, und nachher können sie sich die Vernunft doch nicht leisten.

Da lobe ich mir die satirische Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, kurz: Die PARTEI. Deren Spitzenkandidat, der Erfolgsschriftsteller Heinz Strunk, kündigt nur an, was er auch sofort umsetzen kann: „Hamburg. Stadt im Norden.“ Mehr Realismus geht nicht.

Erschienen am 29. Januar 2011 in der Rubrik „Hamburger Momente“ in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.
 

 

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