Bescheidenheit war seine Sache nie. Als Olaf Scholz, damals schon Hamburger SPD-Chef, sich 2001 selbst zum Not-Innensenator kürte, ließ er wie nebenbei die Bemerkung fallen, auch Helmut Schmidt habe ja mal als Hamburger Innensenator angefangen. „Ich habe einen starken politischen Sachverstand und bin durchsetzungsfähig“, erläuterte Scholz seinerzeit sein Selbstbild. Und ließ in den kommenden Jahren gerne durchsickern, dass Kanzler Schröder ihn für einen geeigneten Nachfolger halte. Für mich, wollte er wohl sagen, ist kein Karriereziel zu hoch gesteckt.
Man mag dieses gelegentlich herablassend wirkende Selbstbewusstsein des SPD-Bürgermeisterkandidaten für arrogant halten. Eines aber muss man Scholz attestieren: Er ist mit dieser Art gut gefahren. Er hat es nach schwierigen Jahren als SPD-Generalsekretär zum Bundesarbeitsminister gebracht und dort mitten in der Krise einen guten Job gemacht. Auch jetzt, im Hamburger Wahlkampf, hat ihm sein starkes Ego ausweislich der Umfragen eher genützt als geschadet – etwa, dass er Wochen vor dem aktuellen Urnengang bereits über seine Wiederwahl 2015 redet, als gehe es bei der jetzigen Wahl nur noch um eine Formalie.
Beinahe täglich düpiert Scholz mit politischen Vorfestlegungen den angeblichen Wunschpartner GAL, was ihm weiteren Zulauf von enttäuschten CDU-Wählern einbringen dürfte. Auch Bürgermeister Christoph Ahlhaus führt der SPD-Stratege genüsslich vor – zuletzt mit der Präsentation von Ex-Handelskammerpräses Frank Horch als Schatten-Wirtschaftssenator. Und nun schließt Kandidat Scholz sogar Verträge über Kita-Gebühren. In Wahrheit, so seine Botschaft, regiere ich ja schon.
Die Strategie, sich als durchsetzungsstarker Macher der Mitte zu präsentieren, könnte ihm die absolute Mehrheit bringen – und damit womöglich eines Tages die SPD-Kanzlerkandidatur. Eines allerdings sollte Olaf Scholz nicht vergessen: In einer Demokratie entscheiden die Wähler, wer sie in welcher Konstellation regieren soll. Und deren Entscheidung steht noch aus.
Erschienen am 25. Januar 2011 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel “Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind” auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.