Grün ist die Hybris

Jeder mag über Schwarz-Grün urteilen, wie er will. Eines aber muss man der gescheiterten Hamburger Koalition lassen: Sie hatte etwas Magisches. Sie konnte Dinge verschwinden lassen. Politische Inhalte zum Beispiel. Anders ist es nicht zu erklären, dass CDU-Politiker wie Christoph Ahlhaus konstatieren, dass die CDU den Grünen zu viele inhaltliche Zugeständnisse gemacht habe – während die Grünen-Basis gleichzeitig darüber schimpft, dass die eigenen Leute im CDU-GAL-Senat zu wenig grüne Inhalte durchgesetzt hätten. Das Ganze zeigt: Gerechnet hat sich Schwarz-Grün am Ende weder für die CDU noch für die Grünen. Auch hat sich der kaum nachvollziehbare Koalitionsbruch für die GAL nicht ausgezahlt. Für ihre eigene Klientel wäre es vermutlich verständlicher gewesen, wenn sie gleich nach dem Rücktritt Ole von Beusts für Neuwahlen gesorgt hätte. Drei Monate später hat kaum jemand den Bruch verstanden.

Mit ihrem Versuch des fliegenden Partnerwechsels von Ahlhaus zu Scholz hat sich die Grünen-Führung schließlich vollends verzockt. Tatsächlich hatte es etwas unerträglich Arrogantes, mit welcher Sicherheit auf baldige Rückkehr sich die Senatoren Steffen, Hajduk und Goetsch nach dem Koalitionsbruch aus ihren Behörden verabschiedeten. Fehlte nur noch, dass sie zum Abschied ein lächelndes „Bis gleich“ geflötet hätten. Derlei Hochmut kommt nicht gut an – auch nicht beim Wähler.

Dass die Grünen den Hamburgern dann auch im Wahlkampf nicht mehr anbieten konnten als ihre eigene Hybris, als ihren durch nichts gedeckten Glauben, furchtbar dringend gebraucht zu werden, hat es nicht besser gemacht. Warum sollte man eine Anja Hajduk wählen, die null Komma nichts erkennbar Grünes durchgesetzt hat, stattdessen aber jahrelang ohne belastbare Zahlen mit einer Stadtbahnplanung auf der denkbar falschesten Strecke herumlavierte? Warum eine Christa Goetsch, die, hätte sie politisches Feingefühl, schon mit der krachenden Niederlage beim Volksentscheid als Schulsenatorin zurückgetreten wäre? Die Grünen sind, besoffen von den Bundesumfragen, an ihrer eigenen Selbstherrlichkeit gescheitert, am Glauben, sie würden nach einer Reihe von Niederlagen auch ohne Inhalte gewählt. Nun müssen sie neu lernen, dass jedenfalls ihre potenziellen Wähler inhaltsleeres Wohlfühl-Larifari nicht für Politik halten.

Die GAL-Mitglieder haben das bereits verstanden. Die Deutlichkeit, mit der sie sich die eigene Führung zur Brust genommen haben, kann heilende Wirkung erzeugen. Dass Spitzenkandidatin Anja Hajduk Verantwortung übernommen und auf den Fraktionsvorsitz verzichtet hat, ehrt sie – anderes blieb ihr aber auch nicht übrig.

Hier gilt, wie bei der CDU: Wahlverlierer können keinen Neuanfang repräsentieren. Und den brauchen auch die Grünen. Dabei hat die Partei den Vorteil einer längst nicht mehr aus Prinzip aufmüpfigen, aber hoch engagierten Basis. Diese ist aufgerufen, nach den Niederlagen bei Kraftwerk, Schulpolitik und Stadtbahn neue, etwas weniger gigantomanische Inhalte grüner Hamburg-Politik zu erarbeiten – und dabei nicht, wie bisher, Stimmungen und Realitäten in der Stadt aus den Augen zu verlieren. So könnten die Grünen die Hamburger Politik bereichern. Als Selbstzweck sind sie überflüssig.

Erschienen am 25. Februar 2011 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel “Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind” auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

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