Hamburg braucht mehr Mut
in der Verkehrspolitik

Der SPD-Senat versucht, es allen recht zu machen – und agiert deswegen mutlos. Gut, dass das Thema Verkehr nun zum zentralen Wahlkampfthema wird.

Es ist ein wenig wie beim Fußball: Auch beim Thema Verkehr sind wir alle Experten. Jeder stand schon im Baustellenstau, ist beim Radeln über Hamburgs Rumpelpisten mal fast vom Sattel geflogen oder musste sich im überfüllten Bus aus dem Kopfhörer des ungepflegten Stehnachbarn beschallen lassen. Und jetzt gibt es auch noch einen neuen Grund, sich zu ärgern: Die Nutzung vieler Park-and-ride-Plätze kostet plötzlich Geld.

Und das, obwohl der SPD-Senat die Menschen zum Umstieg auf den HVV bewegen will. Gerade hat Umweltsenatorin Blankau im Abendblatt gesagt: „Wir alle sollten das Auto in einem Ballungsraum wie Hamburg nur noch benutzen, wenn es wirklich nicht anders geht.“ Schön, schön – und richtig. Aber dann vergällt uns bitte nicht die HVV-Nutzung mit immer neuen Preiserhöhungen und Gebühren!

Sollen Pendler wirklich mit dem Auto in die Stadt kommen?

Könnte man ausrufen. Und das wäre vielleicht auch nicht ganz falsch. Ganz richtig aber auch nicht. Denn die neuen P+R-Gebühren folgen nicht nur ökonomischen Erwägungen, also etwa der Notwendigkeit, die Anlagen zu modernisieren – sondern auch ökologischen.

Bisher haben viele Pendler ihren Wagen nicht bei ihrer nächsten Station in Stade oder Lüneburg abgestellt, sondern sind bis Harburg gefahren, um dort zu parken. Weil sie in den Hamburger Anlagen, anders als an einigen großen Stationen Niedersachsens, nichts bezahlen mussten. Das aber ist weder im Sinne der Umwelt noch im Sinne Hamburgs, das ohnedies durch den Pendlerverkehr stark belastet ist.

Nun zeichnet sich bereits ab, dass die Nutzung der Anlagen durch die Gebühren zurückgeht. Was kaum überrascht und durchaus im Sinne vieler P+R-Parker ist – waren doch einige Anlagen so überlaufen, dass bisweilen gar kein Parkplatz zu bekommen war. Schon problematischer ist es, dass einige bisherige P+R-Nutzer nun auf umliegende Wohngebiete ausweichen und dort die Straßen zuparken.

Strafzettel und Abschlepper pädagogisch sinnvoll einsetzen

Dieses Problem aber dürfte sich einfach lösen lassen: durch den pädagogisch sinnvollen Einsatz von Strafzetteln und Abschleppwagen.

Auch in puncto Preiserhöhungen sollte man mit dem HVV nicht zu hart ins Gericht gehen. Zwar stimmt es, dass die Anhebungen zuletzt über der allgemeinen Preissteigerung lagen. Vergleicht man die Entwicklung aber mit der durch den Ölpreis getriebenen Kostenexplosion bei der Auto-Nutzung, ergibt sich ein ganz anderes Bild.

So oder so: Mit dem Thema Verkehr kann der SPD-Senat im Bürgerschaftswahlkampf wohl nur verlieren. Nicht nur, weil wir alle die besseren Verkehrssenatoren sind. Sondern auch, weil die SPD von zwei Seiten in die Zange genommen wird.

Auf der einen haben viele Autofahrer schon jetzt das Gefühl, mutwillig etwa durch schlechte Baustellenplanung schikaniert zu werden. Auf der anderen Seite monieren die weniger Autofreundlichen, dass der Senat trotz zu hoher Luftbelastung den Autos im Vergleich etwa zu Radfahrern immer noch die Vorfahrt einräumt. Und dass er sich aus Angst vor Widerstand (vor allem der Autofahrer) weigert, eine Stadtbahn zu bauen.

Auto taugt nicht mehr als Symbol für menschliche Freiheit

Dabei muss uns längst dämmern: Das Auto taugt in den Städten dieser Welt nicht mehr als Symbol für die Freiheit des Menschen. Es verstopft Straßen, verpestet die Luft und verursacht ungesunden Lärm. Und: Im Stau zu stehen ist doch wohl eher das Gegenteil von Freiheit.

Der Scholz-Senat hat sich nicht durch wegweisende Verkehrspolitik hervorgetan. Er hat versucht, niemandem wehzutun – und die Konflikte mit einem unausgegorenen U-5-Versprechen in die Zukunft zu vertagen.

Dabei ist die Lösung der Verkehrsprobleme die zentrale Herausforderung aller großen Städte – nicht nur wegen des Privatverkehrs, sondern auch wegen des milliardenschweren Wirtschaftsverkehrs. Gefragt sind Entschlossenheit und Mut zu Innovation.

Für die SPD ist es nicht gut, dass Verkehr zum zentralen Wahlkampfthema wird. Für Hamburg schon. Es gibt schließlich einiges zu diskutieren.

Erschienen am 26. August 2014 als Leitartikel im Hamburger Abendblatt

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