Friede den Bahntrassen!

Seit Jahrzehnten blockieren sich die Parteien gegenseitig um ein tragfähiges Verkehrskonzept für Hamburg. Mein Kommentar aus dem „Hamburger Abendblatt“. 

Politik hat viel mit Streit zu tun – und das ist auch gut so. Parteien sollen unterschiedliche Lösungen für aktuelle Probleme erarbeiten, und wenn diese auf dem Tisch liegen, wird energisch darüber diskutiert, welcher Ansatz der bessere ist. Am Ende steht im besten Fall eine optimale Entscheidung. Bisweilen klappt das. In der Hamburger Verkehrspolitik eher nicht. Denn hier geht es den Parteien seit Jahrzehnten weniger um kluge Antworten auf die Herausforderungen in einer wachsenden Stadt. Stattdessen bestimmen vor allem parteitaktische Aspekte die Diskussion.

Das sieht man besonders gut bei der Stadtbahn. Wenn die SPD für die Stadtbahn ist, dann ist die CDU dagegen. Will die CDU dann mit den Grünen eine Stadtbahn einführen, sagt die SPD Nein. Nicht etwa, weil eine Stadtbahn plötzlich unsinnig wäre, sondern weil sie die Wähler einsammeln will, die sich als Anwohner über das Projekt aufregen.

Genau dasselbe Prinzip verfolgt die Opposition beim Thema Busbeschleunigung. CDU, FDP und Grüne finden die (in Wahrheit nötigen) Kapazitätssteigerungen im Busverkehr vor allem deswegen schlecht, weil sie um Wähler buhlen, die von den Baustellen genervt sind.

Die Folge dieser Spielchen: Penetrante Nein-Sagerei bestimmt die Verkehrspolitik. Das aber ist schlecht für Hamburg – denn in kaum einem Bereich der Politik sind in den kommenden Jahrzehnten so viel Mut und Innovation gefragt wie bei der Organisation unserer Mobilität der Zukunft. Blockadereflexe helfen da nicht weiter.

Es ist deswegen an der Zeit, dass sich alle Parteien mit Experten an einen Tisch setzen und einen gemeinsamen Plan für die Verkehrsentwicklung der kommenden 20 Jahre entwerfen. Die Aufrufe von Handelskammer und CDU zu einem Bahn- bzw. Verkehrsfrieden (analog zum Schulfrieden) gehen in die richtige Richtung. Ob eine Enquetekommission der geeignete Rahmen ist, muss die neue Bürgerschaft nach der Wahl entscheiden.

Nicht immer stimmt Heraklits Satz, wonach Krieg oder hier: Streit der Vater aller Dinge ist.Manchmal sind Frieden und Konsenssuche fruchtbarer. In der Verkehrspolitik wäre es einen Versuch wert.

Erschienen als Kommentar im „Hamburger Abendblatt“ am 26. Januar 2015. 

Ein Kommentar

  1. Lieber Herr Wellmann,

    in Ihrem Kommentar steht viel Wahres. Dass allerdings die GRÜNEN gegen die Busbeschleunigung sind, weil sie die wegen der Baustellen unzufriedenen WählerInnen abholen wollen, ist falsch.
    Gegen die vom SPD-Senat ins Leben gerufene Maßnahme gibt es viele sachliche Gründe, die mit den genervten BürgerInnen wirklich nichts zu tun haben.
    Hier wird eine Menge Geld versenkt, das erstens kaum einen nachweisbaren Erfolg hat (siehe Rechnungshofbericht) und dann an anderer Stelle fehlt. Und die wahren Kapazitätserweiterungen in der Fläche ermöglicht nur eine Stadtbahn.

    Oder man hätte diese ganzen Millionen in die Förderung des Radverkehrs gesteckt. Dann wäre Hamburg heute ein ganzes Stück weiter in Sachen umweltgerechter Mobilität. Und Herr Scholz könnte sich auf die Stimmen der Radfahrenden freuen.

    Besten Gruß

    Torsten Prinzlin

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