Die mit dem Wolf tanzt

Die nicht ganz unprominente Hamburger Grünen-Politikerin Nebahat Güçlü hat eine Wahlkampfrede bei türkischen Rechtsextremisten gehalten. Nun will die Partei sie ausschließen. Mein Kommentar aus WELT und Hamburger Abendblatt.  

Wer sich mit Hunden hinlegt, wacht bekanntlich häufiger mal mit Flöhen auf. Ob das auch für Wölfe gilt, ist nicht ganz sicher – zumal man sich mit Wölfen schon deshalb nicht hinlegt, weil sie einem sonst nächtens an die Gurgel gehen könnten. Es sei denn, man hieße Romulus oder Remus.

Übersetzt ins Politische bedeutet diese Regel: Lass dich nicht mit Radikalen ein, denn bevor du sie einfängst, infizieren sie meistens dich selbst. Oder brechen dir das Genick.

Güçlü bei der Türk Federasyon.
Foto: Avrupa Postasi

Die Grünen-Politikerin Nebahat Güçlü hat diese Überlebensregel entweder nicht gekannt oder sie vergessen – oder sie in voller Absicht missachtet. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die einstige Bürgerschaftsvizepräsidentin bei einer vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsnationalistischen Organisation aufgetreten ist, zu der auch die gefürchteten „Grauen Wölfe“ gezählt werden. Neben den Flaggen und den Fotos der rassistischen Gründerväter dieser Bewegung hat Güçlü versucht, Wahlkampfwerbung für sich und damit auch für die Grünen zu machen.

Laut Verfassungsschutz fördert die Gruppierung in Deutschland das Entstehen „einer eigenen rechtsextremistischen Jugendbewegung, wirke stark integrationshemmend und steht nicht im Einklang mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“.

Die kämpferische Auseinandersetzung ihrer Jugendorganisation mit dem „Feind“ zeige sich auch durch im Internet verbreitete Bilder von „Waffen aller Art, mit denen zuweilen auch stolz posiert wird“. Insgesamt verfolge die Bewegung einen „übersteigerten türkischen Nationalismus“, der mit einer „ausgeprägten, oft auch gewaltbereiten rassistischen Feindbildorientierung gegenüber ethnischen Minderheiten“ einhergehe.

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Flaggen und das Wolf-Zeichen.
Foto: Avrupa Postasi

Kurz zusammengefasst: Grünen-Politikerin Güçlü hat sich bei einer Art türkischer NPD beklatschen lassen.

Nun sagt Güçlü zweierlei: Erstens seien die Leute da gar nicht mehr so schlimm wie früher. Und zweitens hätte sie nicht gewusst, wie schlimm die sind. Abgesehen von dem Widerspruch in dieser Verteidigungsrede kann all das nur zweierlei bedeuten.

Entweder Frau Güçlü, der man als Vorsitzende der türkischen Gemeinde einen ganz guten Einblick in die Materie zutrauen sollte, ist erschreckend ahnungslos und naiv. Oder sie hat sehr wohl gewusst, zu wem sie da spricht – und es trotzdem getan. Weil sie wegen ihres mittelmäßigen Listenplatzes jede Stimme braucht.

Egal, welche Variante zutrifft: Eine Empfehlung für höhere politische Weihen ist Güçlüs Tanz mit den Grauen Wölfen so oder so nicht.

Vorsichtig ausgedrückt. Sehr vorsichtig.

Erschienen als Kommentar in WELT und Hamburger Abendblatt am 28. Januar 2015. Danke für das Überlassen der Fotos an Adil Yigit von Avrupa Postasi. Der Verfassungsschutzbericht 2013 findet sich hier (S. 295 ff zum Thema). Die Wikipedia-Einträge zur Türk Federasyon und zu den Grauen Wölfen scheinen für einen ersten Einstieg auch ganz brauchbar zu sein. 

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