Olympia? War da was? Wie Olaf Scholz sein größtes Debakel schönredet

Man hätte es auch als einen selbstironischen Witz verstehen können, aber Olaf Scholz meinte es offenbar ernst. „Die Hamburger sind zwar gute Gastgeber, aber manchmal ist ihnen die Bude zu voll“, sagte der Bürgermeister am Mittwoch bei einer Veranstaltung der Tourismus GmbH. Deswegen müsse man Touristenströme „entzerren“.

Gerade einmal drei Tage zuvor war Scholz mit dem Versuch gescheitert, Olympische Spiele nach Hamburg zu holen – und damit geschätzte vier Millionen auswärtige Besucher innerhalb von zwei Wochen. War die Erkenntnis, dass es „zu voll“ sei, also eine schnelle Lektion aus dem (aus Scholz-Sicht) desaströsen Ergebnis beim Olympia-Referendum – ein flinker Schwenk hin zu dem, was die empörten Kritiker der Entscheidung in den vergangenen Tagen als ehrgeizlose Kleinkariertheit des Hanseatenvolkes gegeißelt haben?

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Olaf Scholz und sein Bundesstaatsrat
Wolfgang Schmidt (r.) konnten in Berlin
wenig ausrichten (Foto: jmw)

Denkbar wäre das, denn Scholz hat es schon nach der Niederlage im Netze- Volksentscheid geschafft, durch radikales Umschwenken auf die Linie der Mehrheit Schaden von sich selbst abzuwenden. So verfährt er auch diesmal.

Ohne zu zucken nimmt er das Ergebnis hin, so als habe er sich nicht gerade die wohl größte Klatsche seines politischen Lebens abgeholt. Kein Wort der Kritik. Nicht am Wähler, natürlich – aber auch nicht an sich selbst. Man habe schlicht „alles richtig gemacht“, das hätten doch fast alle attestiert, stellte Scholz fest. Punkt. Schluss. Nächstes Thema, bitte.

Das mag taktisch nachvollziehbar sein. Aber sollte die ganze Stadt sich wirklich nach einer solchen Jahrhundertentscheidung vollständig der Manöverkritik enthalten? Gibt es nichts, das Politik, Wirtschaft, Medien, Verbände aus all dem lernen können? Nichts über die Entfremdung zwischen Volk und Eliten, über das Verhältnis Parlament und direkter Demokratie?

Bürgermeister Olaf Scholz dürfte sehr genau wissen, was sein Kardinalfehler gewesen ist

Der Bürgermeister dürfte in Wahrheit genau wissen, welche Fehler er gemacht hat – und was der Kardinalfehler war. Mag ja sein, dass Doping- und FIFA-Skandale und die Pariser Anschläge einen gewissen Einfluss hatten. Auch könnte das breite und bisweilen allzu übermächtig auftretende Bündnis der Eliten aus Politik, Wirtschaft, Sport und die Begeisterung der Medien manchen misstrauisch gemacht und einen David-gegen-Goliath-Effekt bewirkt haben.

Dazu mag beigetragen haben, dass auf Diskussionspodien der Befürworter auch mal ein halbes Dutzend Olympia-Fans gegen nur einen Kritiker antrat. Das Gefühl, man sei einer großen Manipulationskampagne ausgesetzt, schürte sicher auch bei einigen der Unentschlossenen das Unbehagen.

Dabei hatten es die Organisatoren solcher Debatten auch nicht leicht. Denn die Olympia-Gegner traten kaum in Erscheinung. Sie bekamen nicht einmal eine Volksinitiative organisiert, zerstritten sich – und große Aktionen waren auch nicht zu sehen. Ein Versuch, überall vollständigen Proporz zu wahren, wäre schon daran gescheitert, dass die Gegner schlecht bis gar nicht organisiert waren.

Kritik kann man aber auch an der Ja-Kampagne üben. So haben die Befürworter etwa die Sozialen Medien wie Facebook und Twitter fast kampflos den Gegnern überlassen. Die konnten dort nicht nur nachvollziehbare Argumente gegen die Spiele, sondern auch abstruse Verschwörungstheorien weitgehend unwidersprochen verbreiten. Zum analogen Ringe(l)piez im Stadtpark und Fackelmärschen im Regen sind dagegen nur Leute gegangen, die sowieso Feuer und Flamme waren.

Die Olympia-Fans waren in ihrer selbst gemachten Filterblase gefangen – und machten viele Fehler

Damit wirkten solche bildmächtigen Aktionen ausschließlich als Selbstbestätigung für die ohnedies Begeisterten, die sich immer lauter gegenseitig bestärkten, sich in immer trügerischerer Siegessicherheit wiegten – und damit weiter aus der Realität in eine eigene Filterblase zurückzogen, die dann am Sonntagabend mit lautem Knall platzte.

Die Hunderttausenden Unentschlossenen dagegen hat man mit der bunten Bilderflut nicht ins olympische Boot geholt. Die hätten noch Fragen gehabt, auf die es aber keine schlüssigen Antworten gab. Der Senat hat es ja nicht einmal geschafft, zentrale Informationen wie das Nachhaltigkeits- oder das Mobilitätskonzept für Olympia 2024 vor Beginn der Briefabstimmung zu veröffentlichen.

Der entscheidende Punkt aber dürfte das liebe Geld gewesen sein. Das angeblich so solide Finanzkonzept, das Scholz am 8. Oktober vorlegte, führte leider nicht dazu, dass die Vertreter des Bundes angesichts des ihnen ohne Absprache zugedachten Kostenanteils von 6,2 Milliarden Euro die Hacken zusammenknallten und „Jawoll, König Olaf!“ riefen. Im Gegenteil: Die freundlichste Reaktion war eisiges Schweigen.

„Selbst die größten Olympia-Unterstützer in Berlin schüttelten entsetzt den Kopf über die unabgestimmte Strategie von Scholz“, erzählt der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg heute. Scholz’ Aussage, Hamburg werde nicht mehr als 1,2 Milliarden zahlen und die Bewerbung zurückziehen, wenn der Bund nicht spure, machte die Lage nicht besser.

Erpressungsversuche statt Verhandlungen – warum hat Scholz seine Berliner Kontakte nicht genutzt?

Vielleicht war die Begeisterung für Olympia in Berlin nicht groß genug, wie Staatsrat Christoph Krupp konstatiert. Aber hätte man von einem Ex-Bundesminister wie Scholz nicht erwarten können, dass er vor dem Referendum eine (vorläufige) Einigung mit dem Finanzminister präsentiert? Das hätte Fotos gegeben, die mehr bewirkt hätten als bunte PR-Aktionen allein. Stattdessen offenbarte Wolfgang Schäuble am Sonntagabend, dass der Bund die 6,2 Milliarden niemals gezahlt hätte, das Scholz-Konzept also unseriös war.

Staatsrat Krupp betont, dass die Hamburger zwar zunächst für Olympia, aber immer skeptisch bei den Kosten gewesen seien. „Das ist ein bisschen so, als wenn man sagt: Diesen Ferrari oder E-Smart finde ich gut, aber er ist ganz schön teuer. Irgendwann muss man sich entscheiden, kaufen oder nicht.“ Die Hamburger hätten sich eben dagegen entschieden.

Schönes Bild, passt aber nur bedingt. Denn dass die Hamburger Olympia nicht wollten, hat nicht allein damit zu tun, dass Ferraris teuer sind – sondern damit, dass ihnen bis zum Schluss niemand sagen konnte, wie teuer dieser gewesen wäre. Das Preisschild war ihnen wohl zu ungenau: „Sportlicher Ferrari schon ab 1,2 Milliarden.“ Da hält sich der Hanseat lieber vornehm zurück – und kümmert sich wieder um die Busbeschleunigung.

Erschienen am 5. Dezember 2015 in der Rubrik „Die Woche im Rathaus“ im „Hamburger Abendblatt“ 

Ein Kommentar

  1. Dieser Kommentar ist gut geschrieben, und gut nach vollziehber. Aber das allein ist es wohl doch nicht gewesen, weshalb Olympia nicht statt gefunden hat. Unser Bürgermeister hat sein größten Fehler gemacht, den man in einer Stadtentwicklung machen kann, er hat seine Bürger vergessen mit ins Boot zu holen. Man kann nicht ein Olympiapark entwerfen lassen, und meinen, das wir alle für ja abstimmen, das wir den so haben wollen. Wer einige politische Fehler macht, den traut man eben nicht, auch wenn unser Bürgermeister sie nicht zu gibt !!

    Erich Heeder – Sitz in der Sozialen Stadtteilentwicklung
    Billstedt Horn nach vorn,
    und von der Elbe bis zur Bille

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