Seid endlich ehrlich beim Klimaschutz!

Die Hütte brennt. Und wir sitzen drin. Wir brauchen jetzt radikale Maßnahmen. Und die werden vielen weh tun. Mein Leitartikel aus dem „Hamburger Abendblatt“

Wenn die Menschheit noch ein paar Jahrhunderte einigermaßen angenehm weiterleben möchte auf diesem schönen Blauen Planeten, dann muss mit zwei Missverständnissen ein für alle Mal aufgeräumt werden – und zwar noch heute. Das erste Missverständnis: Ob der Klimawandel menschengemacht ist, weiß man gar nicht so genau – und falls es so ist, wird man die Folgen doch erst in vielen Jahrzehnten merken. Wird schon nicht so schlimm. Zweites Missverständnis: Den Klimawandel zu stoppen wird einfach – und keinem wird es wehtun.

Der neue Bericht des Weltklimarates IPCC hat es klargemacht wie nie zuvor: Der Mensch macht seinen eigenen Lebensraum kaputt. Seine Form, zu wirtschaften, zu heizen, sich fortzubewegen, verändert diesen Planeten so sehr, dass er bald zumindest in weiten Teilen für Menschen nicht mehr gut bewohnbar sein könnte. Und die Geschwindigkeit, in der die Erde sich aufheizt, ist noch höher als befürchtet, so die Experten. Mehr Dürren und Starkregen, Stürme, Brände und Überflutungen sind die Folgen.

Die Hütte brennt. Und wir sitzen drin. Und diskutieren. Über Politikerbücher.

Was das bedeutet, sehen wir seit Monaten in den Nachrichten: immer neue Temperaturrekorde mit bis zu fast 50 Grad, zerstörerische Brände am Mittelmeer und tödliche Überflutungen – nicht nur in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Wenn es ganz schlecht läuft, könnte laut IPCC irgendwann der atlantische Golfstrom abreißen – mit schwerwiegenden Folgen für Europa. Mithin: Die Hütte brennt. Seit Jahrzehnten. Und wir sitzen drin. Und diskutieren, ob es denn wirklich brennt und was das bedeuten könnte und ob man den Menschen überhaupt zumuten kann, etwas gegen das Feuer zu unternehmen.

Abendblatt-Leitartikel vom 13. August 2021

Weltweit haben Regierungen die Gefahren des Klimawandels jahrzehntelang heruntergeredet. Währenddessen sind die Menschen mehr durch die Welt geflogen, haben mehr Verbrennerautos angemeldet und mehr Energie verbraucht.

Womit wir beim zweiten Missverständnis wären: Politiker haben ihren Wählern jahrelang erzählt, das Stoppen des Klimawandels sei quasi schmerzfrei über die Bühne zu bringen – ohne Verbote oder Gebote und ohne Kosten für jeden Einzelnen. Sie haben sich gescheut, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Und die lautet: Es wird die meisten von uns auch persönlich etwas kosten, den Planeten für die Menschheit zu retten.

Energie wird teurer, wir müssen uns anders fortbewegen, anders produzieren und konsumieren und lieb gewonnene Gewohnheiten ändern. Weil es nicht reicht, wenn jeder Einzelne ein bisschen hier und da für sein Gewissen an seinem Lebensstil ändert, braucht es dafür klare politische Konzepte und Vorgaben.

Und was tun wir? Statt wenigstens im Bundestagswahlkampf zu diskutieren, wie wir am klügsten die vielleicht größte Herausforderung in der Geschichte des Homo sapiens angehen sollen, reden wir über Zitate in Politikerbüchern oder ein Lachen am falschen Ort. Es wirkt so, als habe die Menschheit den Schuss noch immer nicht gehört.

Hamburg hängt hinter eigenen Zielen zurück

Dazu passt, was gestern in der Hamburger Senatskommission für Klimaschutz passiert ist. Statt sich auf Eckpunkte zur Verschärfung des Klimaschutzgesetzes zu einigen, lehnte die SPD die Grünen-Vorschläge für ehrgeizigere Ziele ab. Man überzog sich gegenseitig mit Vorwürfen – und vertagte sich.

Dabei hätten auch SPD-Bürgermeister Tschentscher und sein Senat einiges zu erledigen. Seit Jahren kommt die für den Klimaschutz wichtige Sanierung der Gebäude in Hamburg kaum voran, die Zahl der (Verbrenner-)Pkw steigt immer weiter – und der Rückgang des Hamburger CO2-Ausstoßes lag zuletzt weit unter den Erwartungen. Allein mit Sonntagsreden und Wahlkampfinterviews lässt sich die Welt eben nicht retten.

Erschienen als Leitartikel im „Hamburger Abendblatt“ am 13. August 2021.

9 Kommentare

  1. Ute Klapschuweit : Ja! Danke! Los geht’s! Fahrradfahren begünstigen. Verbrennungsautos hoch besteuern oder verbieten. Schluss mit Lokfuehrerstreiks. Nur noch lokal produzieres Biofleisch verkaufen. Wochenmaerkte staerken. Biobauern stärken. Kleidung lokal produzieren. Hanfanbau, Brennesselanbau. Es gibt so viele Ideen die Umwelt zu schonen. Konzentrieren wir auf das was wir hier bei uns tun können. Seien wir radikal! Danke!

  2. Absolut richtig zusammengefasst – danke. Wer 1 und 1 zusammenzählen kann, sollte klar erkennen, dass wir auf einem absolut falschen Kurs sind. Seit Jahrzehnten werden Warnungen heruntergespielt und ignoriert. Und leider lässt sich der größte Teil der Menschheit blenden vom „Ach, das wird doch nicht so schlimm“ der entscheidenen PolitikerInnen.
    Wohlgemerkt war es ja leider bisher eine bestimmte Art von Männern, die uns bis hierher kurz vor die Wand gefahren haben. Keine Ahnung, ob es wesentlich besser liefe, wenn mindestens 50% Frauen in Entscheidungspositionen säßen, aber ich würde das gerne mal ausprobieren…

    Was wir auf alle Fälle brauchen, ist Bildung, Bildung und nochmal Bildung und dazu eine große Portion Mitgefühl und Frauenpower. Ohne all dies lässt sich der Frontal-Crash unseres Planeten gegen die Wand nicht verhindern.

  3. Mal ganz ehrlich, lieber Herr Meyer-Wellmann…
    Seit der Industrialisierung geht es dem Planten (übrigens auch dessen Umfeld) immer dreckiger. Dabei ist nicht Deutschland der einzige Sünder. Es geht hier um ein globales Problem.
    Da nützt es meiner Meinung überhaupt nicht, nach dem Gießkannensystem einfach alles in Frage zu stellen. Es müßte eine „Unweltpolizei“ genau dort mit dem Finger hinzeigen, wo irgendwo auf der Welt zuerst gehandelt werden muß. In den eigenen 4 Wänden zählt selbstverständlich jeder einzelne Beitrag. Das müßte per Bildungsaufgabe *in jeden Kopf der Welt*, nicht ausschließlich nur bei uns.
    Eine industrielle Aufgabe könnte beispielsweise sein, Auslandsaufträge nur noch zu akzeptieren, wenn gewisse Umweltstandards erreicht sind. Auf diese Weise wurde auch Kinderarbeit reduziert oder Sicherheit am Arbeitsplatz erhöht.
    Eine Diskussion über Kfz- oder Fahrrad-Akkus halte ich zunächst für überzogen, grundsätzlich aber auch nicht wegweisend, wenn Wasserstoff die bessere Alternative ist.
    Weltweit müssen sehr schnell Umweltstandards her, die deutlicher umgesetzt werden müssen ‼️
    Herzlichst Julika Ochsen

  4. Wenn es nur um die grüne Seele gehen würde, hätten wir kein Problem. Die Hütte brennt nicht im übertragenden Sinn – es brennt wirklich! Es geht um eine langfristige Überlebensfrage gerade auch für Hamburg als Küstenstadt. Die Lage ist so dramatisch, weil wir viele Jahre nicht entschlossen genug gehandelt haben. Es stimmt nicht, dass der Klimaschutz „über Nacht“ zum großen Thema geworden ist. Die SPD blockiert seit vielen Jahren und tut nur so viel, wie unter dem Druck von FFF, BUND und Volksinitiativen gerade nötig ist. Dabei war immer klar, dass aussitzen teurer wird und Menschenleben kosten wird. Jetzt zu behaupten, die Grünen hätten die Hausaufgaben nicht gemacht, soll nur von der eigenen fehlenden Verantwortung ablenken. Die SPD muss sich entscheiden: Verantwortung übernehmen und echte Lösungen angehen oder weiterhin auf der Bremse stehen und allein auf Wasserstoff zu hoffen.

  5. Der Artikel passt in diese Zeit des ewigen Alarmismus. Faktenfrei aber wirkmächtig wird die Erde als „brennend“ beschrieben. Wissenschaftliche Argumente sind da nur hinderlich.

    Fakt ist, daß z.B. Kiefernnadeln eine Entzündungstemperatur von > 300°C haben. Selbst bei 50°C Lufttemperatur entzündet sich da nichts. Es sind Menschen, die in Griechenland, der Türkei und rund ums Mittelmeer bewußt oder grob fahrlässig Brände legen. Das Delikt heißt Brandstiftung. Und einige Brände werden durch Gewitter und Blitzeinschläge verursacht. Aber das ist ein verschwindend geringer Teil.

    Die größten Waldbrände wüten übrigens am Äquator, z.B. im Kongo, wo durch Brandrodung wesentlich mehr Primärwald verschwindet als in Brasilien.

    Glasscherben sind – wissenschaftlich untersucht – keine Brenngläser und fallen als Brandursache schon seit Jahrzehnten aus. https://www.spektrum.de/frage/koennen-glasscherben-waldbraende-verursachen/1668836 1

    Während Deutschland seine Industrie und Gesellschaft energetisch kaputt spart, werden rings um Deutschland neue Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke errichtet. Selbst das IPCC fordert übrigens den Ausbau der Kernenergie, um die Klimaziele und Energiesicherheit zu erreichen. Glauben Sie, daß es dafür in Deutschland eine Mehrheit geben könnte?

    Die Schwankungen der Erdtemperatur durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung, die Schwankung der Bewölkung durch kosmische Partikel und viele andere Phänomene sind in den Klimamodellrechnungen des IPCC nicht enthalten. Aber die Damen und Herren verdienen am Alarmismus eben viel zu gut, als daß sie sich von weiterer Panikmache abhalten liessen.

    Herzliche Grüße aus Hamburg

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