Allen Sparreden zum Trotz: Seit 2001 sind die Präsidialabteilungen des Hamburger Senates um 23 Prozent gewachsen
Der Hamburger Senat hat die Präsidialabteilungen seiner Behörden trotz wiederholter Sparversprechen in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert. Gab es in den Chefetagen von Senatskanzlei und Fachbehörden im Jahr 2001, als Ole von Beust (CDU) Bürgermeister wurde, noch 133,8 Stellen, so sind es heute bereits 163,98. Das entspricht einem Wachstum bei den Spitzenstellen von rund 23 Prozent. Diese Zahlen gehen aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Thomas Böwer hervor.
Besonders viele neue Mitarbeiter haben sich demnach die Senatoren der Bildungs-, der Sozial-, der Innen- und der Kulturbehörde gegönnt. Am deutlichsten wuchs die Zahl der Stellen in der Präsidialabteilung der Schulbehörde, wo sie von 14 im Jahr 2001 auf fast 26 anschwoll. Angesichts der umstrittenen Reformvorhaben gibt man in der Bildungsbehörde derzeit das meiste Geld für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aus. Kam die letzte SPD-Schulsenatorin Ute Pape 2001 noch mit einem Pressesprecher aus, so stieg die Zahl der Stellen im PR-Bereich seither auf 11,35 an.
Für den teuren Pressesprecher eine eigene Abteilung gebastelt?
Das Ganze gehe nur zum Teil auf Neueinstellungen zurück, heißt es aus der Behörde. So habe man die Presseabteilung schon 2004 mittels Verschiebungen deutlich auf acht Stellen ausweiten müssen, um die überdurchschnittliche Bezahlung des damaligen Pressesprechers Alexander Luckow zu rechtfertigen. Der wurde auf diese Weise Leiter einer eigenen Abteilung. Die aktuelle Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) hat zweieinhalb neue Stellen zu verantworten.
Deutlich mehr Personal auf der Chefetage leisten sich auch die Innensenatoren. Hielt Ronald Schill die Zahl der Stellen noch konstant bei neun, so erhöhte sein Nachfolger Udo Nagel sie auf zwölf. Besonders drastisch stockte der aktuelle Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) seinen Stab auf. Er gönnt sich gleich drei Pressesprecher und hat für die Organisation der Innenministerkonferenz 6,25 neue Stellen eingerichtet.
Wenig bescheiden war auch Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos). Sie hat die PR-Abteilung von 1,5 auf vier Stellen ausgeweitet – womöglich in dem Wunsch, den Bürgern das Planungsdesaster bei der Elbphilharmonie wenigstens hochprofessionell zu präsentieren.
„Bürgerkönig von Beust predigt den Hamburgern Wasser, während er und sein Senat Wein saufen“, konstatiert angesichts dieser Zahlen jetzt SPD-Mann Thomas Böwer. „Ein solcher Hofstaat ist nicht mehr zeitgemäß.“
Beust-Planungsstab residiert an einer der teuersten Adressen
Tatsächlich hat auch von Beust selbst die Zahl seiner persönlichen Referenten ausweislich der Anfrage im vergangenen Jahr erhöht. Gab es bis dahin nur eine solche Stelle, so sind es jetzt 2,65. Immerhin: Die Senatskanzlei gehört zu den wenigen Behörden, die die Zahl der Mitarbeiter insgesamt reduziert haben. Statt 22 Stellen sind es jetzt 19,95. Zu den anderen Behörden könne man nichts sagen, so Senatssprecherin Kristin Breuer. Jede Fachbehörde organisiere sich selbst.
SPD-Finanzpolitiker Peter Tschentscher hat derweil betont, dass die Stellenausweitungen in den Chefetagen nur ein Teil des Problems seien. Tatsächlich blähe der schwarz-grüne Senat den Betriebshaushalt bis 2012 um insgesamt 1,3 Milliarden Euro weiter auf. Allein in den beiden vergangenen Jahren habe der Senat 20 Millionen Euro für Gutachten ausgegeben, so Tschentscher. Es würden 100 000 Quadratmeter Bürofläche angemietet und nur für die PR zur Umwelthauptstadt zehn Millionen Euro ausgegeben. Es sei auch schwer nachvollziehbar, warum der Planungsstab von Bürgermeister von Beust in die Europa-Passage umgezogen sei – das sei schließlich eine der teuersten Adressen der Stadt.
Es wäre schon viel gewonnen, so Tschentscher, wenn Schwarz-Grün die Ausweitung des Betriebshaushaltes eindämme. „Bürgermeister von Beust und sein Senat pflegen eine leichte Art des Regierens“, so der SPD-Abgeordnete. „Mit Sorgfalt hat das nichts zu tun.“
Erschienen am 8. Juni 2010 in WELT und WELT ONLINE.
Nachtrag: Nach Erscheinen des Artikels in der WELT unter der Überschrift „Wundersame Stellenvermehrung an den Behördenspitzen“ hat sich heute der darin erwähnte frühere Schulbehörden-Sprecher Alexander Luckow bei mir per Mail gemeldet. Zu den Aussagen aus der Behörde, man habe die Präsidialabteilung umorganisiert, um ihm damit als neuem Abteilungsleiter ein besseres Gehalt zukommen lassen zu können, schreibt Luckow: „Nicht eine ‚überdurchschnittliche Bezahlung‘ meiner Person war Anlass in der Bildungsbehörde acht vorhandene Stellen in einer Kommunikationsabteilung neu zusammenzufassen. Vielmehr war es der sehr sinnfällige Wunsch des damaligen Senators Rudolf Lange die über das ganze Haus verteilten Bereiche Broschürenerstellung und Veranstaltungsorganisation, Internetbetreuung (auch für die Wissenschaftsbehörde) und Pressearbeit unter einem Dach zu bündeln. Dies geschah nicht in einer Abteilung, wie Sie schreiben, sondern in einem Referat, dem ich fünf Jahre vorstehen durfte. Und das auch nicht ab 2004 sondern bereits ab Frühjahr 2003. Ergo: ‚Wundersam vermehrt‘ hat nur die derzeitige Senatorin die Stellen in ihrer Präsidiabteilung, ihre Vorgänger Lange oder Dinges-Dierig haben vernünftig neu organisiert.“
Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.
Nun sind Sie aber gemein Herr Meyer-Wellmann. Nachdem die Großkoalition der Schulverbesserer ein gigantisches Projekt „Schulen zu Palästen“ mit einem Zusatzetat von 500 Mio bis 1, 5 Mrd Euro aufgelegt hat bekommen doch alle was vom großen Geldsegen ab. Viele Grundschüler freuen sich schon auf ein paar Jahre Unterricht im Container mit goldenen Wasserhähnen.
Die 11,35 Presseleute plus die diversen externen Agenturen der Schulbehörde glauben schon selbst die Schulbriefe, die sie schreiben und sind entzückt darüber einer Autorin „Argumente“ wie „Chancengerechtigkeit heißt gleiche Voraussetzungen für alle zu schaffen – von Beginn an. Kostenlose Schulbücher tragen also einen sehr wichtigen Teil dazu bei.“ in den Mund gelegt zu haben.
Nur auf Ihrer eigenen Homepage will es mit der durchgestylten Pressearbeit noch nicht so richtig klappen.
Trotz Suggestivfrage zur Schulreform stimmen dort 60% gegen das „Konzept“ der Bürgerschaft.
Wenn die 11,35 Mitarbeiter mal ein paar Stunden richtig klicken kriegen die das aber auch noch in den Griff.
http://www.hamburg.de/schulreform-hamburg/nofl/2105900/schulreform-voting-teaser.html?scx=20