Sie versprach mit der SPD einen „Neuanfang in der Hamburger Wissenschaftspolitik“. Jetzt kürzt die neue Wissenschaftssenatorin noch mehr als ihre Vorgängerin. Dorothee Stapelfeldt, zugleich Zweite Bürgermeisterin der Hansestadt, hat es dabei mit zwei wütenden Alphamännchen zu tun: Uni-Präsident Lenzen und UKE-Direktor Debatin. Dafür, dass sie der Uni lange verbunden ist, setzt die Kunsthistorikerin die Sparvorgaben erstaunlich willfährig um.
Wollte man den aktuellen Machtkampf um die Finanzierung der Hamburger Hochschulen auf die Bühne bringen, so gäbe es mindestens zwei mögliche Varianten. Man könnte das Stück „Die mutige Dorothee zähmt die zwei Machos“ geben oder das Drama von der „Falschen Dorothee“ aufführen. In der ersten Fassung käme SPD-Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt als eine Art Dompteurin daher, die zwei aggressive Alphamänner in die Schranken weist, nämlich Uni-Präsident Dieter Lenzen und UKE-Direktor Jörg Debatin, die sich beide gelegentlich gerieren, als gehörten ihnen Campus und Klinik persönlich. Als Stapelfeldt kürzlich bekannt gab, dass sie die Sparpläne von Schwarz-Grün nicht nur beibehalten, sondern noch um eine millionenschwere „globale Minderausgabe“ zu verschärfen gedenkt, haben die beiden Herren bewiesen, dass sie lautstark wüten und trommeln können. Lenzen hat gedroht, Museen oder den Botanischen Garten zu schließen, er hat durchblicken lassen, er könnte hinschmeißen – und er hat verlangt, dass der Senat selbst entscheiden solle, welche Fachbereiche oder Bibliotheken zu schließen seien. Er jedenfalls würde den gefährlichen Unsinn nicht umsetzen, den die Regierenden im Rathaus sich da ausgedacht haben.
Auch UKE-Chef Debatin hat in dieser Woche gezeigt, dass er nicht gewillt ist, politische Vorgaben klaglos zu akzeptieren – ganz egal, ob das UKE der Stadt gehört oder nicht. Als bekannt wurde, dass der Senat darüber nachdenkt, in der kommenden Woche vier Positionen im Kuratorium des UKE, einer Art Aufsichtsrat, neu zu besetzen, schrieb Debatin einen wütenden Brief an Stapelfeldt. Es sei „demotivierend“ und „wenig wertschätzend“, dass der Senat das Gremium ohne Rücksprache neu besetzen wolle. Der Brief landete, rein zufällig, in den Medien, sodass der Konflikt nun auf offener Bühne ausgetragen wird.
Der Streit zwischen Stapelfeldt und Debatin hat tiefere Wurzeln
„Ein Aufsichtsrat hat auch eine Ratgeberfunktion“, sagte Debatin der „Welt“. „Der Aufsichtsrat des UKE hat großen Anteil an der positiven Entwicklung unseres Klinikums. Deswegen legen wir Wert darauf, dass über eine mögliche Umbesetzung mit uns gesprochen wird.“ Über die Frage, ob es denn üblich sei, dass sich ein Vorstand seinen Aufsichtsrat selbst zusammenstellt, will Debatin dann nicht so gern reden. Er habe einfach sehr gut zusammengearbeitet mit dem Gremium, in dem nun möglicherweise Debatin-Vertraute wie Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler und Börsen-Präsident Friedhelm Steinberg ausgetauscht werden könnten. Bereits am Dienstag will der Senat darüber entscheiden.
Der Streit zwischen Debatin und Stapelfeldt hat allerdings tiefere Wurzeln. Beide sind sich in herzlicher, auch persönlicher Abneigung verbunden, spätestens seit Debatin dafür plädierte, das UKE solle sich am Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) beteiligen – und Stapelfeldt sich dagegen aussprach. Dass das UKSH seit 2009 von einem gewissen Jens Scholz geführt wird, dem jüngeren Bruder des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz, ist dabei nur eine vermutlich bedeutungslose Randnotiz. Klar scheint, dass Stapelfeldt nicht gedenkt, sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Wie der Machtkampf mit Lenzen und Debatin endet, ist offen. Formal sitzt Stapelfeldt jedenfalls nicht am kürzeren Hebel. Der Vertrag von UKE-Chef Debatin läuft demnächst aus. Und was den streitbaren Herrn Lenzen angeht, so ist aus dem Rathaus zu hören, man sei nicht gewillt, sich vorführen zu lassen. Auch Lenzens Vorgängerin Monika Auweter-Kurtz sei nur kurze Zeit Uni-Präsidentin gewesen, so die Drohung, die freilich nicht offen ausgesprochen wird.
In der zweiten Variante heißt das Stück „Die falsche Dorothee“
Bleibt die zweite Variante des Wissenschaftsdramas: das Stück von der „Falschen Dorothee“. Darin kommen Debatin und Lenzen als edle Ritter daher, die die Ehre der Wissenschaft verteidigen – gegen eine Senatorin, die all das, was sie im Wahlkampf versprochen hat, vergessen zu haben scheint. Als Oppositionspolitikerin versäumte Stapelfeldt keine Gelegenheit, die „jahrelange Vernachlässigung der Wissenschaft“ anzuprangern. Es sei peinlich, dass Hamburg bei der Finanzierung der Hochschulen im Ländervergleich so schlecht dastehe, befand sie – und warnte davor, den Wissenschaftsstandort finanziell auszutrocknen.
Kaum im Amt, betrachtet die promovierte Kunsthistorikerin die Welt ganz anders. Anfang Mai verkündete sie, man werde an den Sparbeschlüssen von Schwarz-Grün nicht nur festhalten. Man müsse aufgrund angeblich im Haushalt gefundener Luftbuchungen sogar fast 13 Millionen Euro mehr sparen. Von dem im Wahlprogramm versprochenen „Neuanfang in der Wissenschaftspolitik“ kann da keine Rede mehr sein. Auch der ebendort stehende Satz „Wir werden Wissenschaft und Forschung stärken“, liest sich heute wie eine glatte Wahlkampflüge. Aus der SPD werden derweil Sprüche wie dieser ventiliert: „Fragen Sie mal einen Wähler in Jenfeld, was ihm wichtiger ist: mehr Polizisten oder mehr Professoren?“ Wissenschaft? Unwichtig!
Mancher Beobachter wundert sich derweil, wie willfährig Stapelfeldt die Vorgaben umsetzt – obwohl sie der Uni seit Jahrzehnten persönlich verbunden ist. „Ich habe mir meinen Start als Wissenschaftssenatorin anders vorgestellt“, räumt sie im Gespräch mit der „Welt“ ein. „Die Handlungsspielräume sind nach dem vollzogenen Kassensturz aber dramatisch gering. Auch die Hochschulen sind aufgefordert, sich konstruktiven Gesprächen nicht zu verweigern.“
Die CDU warnt bereits, die SPD könne beim Thema Wissenschaft ein ähnliches Debakel erleben, wie der Ahlhaus-Senat mit den Kulturkürzungen. Das sei Unsinn, heißt es von den neuen Regenten. Ob Studenten demonstrierten oder streikten, interessiere eh niemanden.
Der Beweis für diese These steht indes noch aus. Gestern machten bereits die ersten Studenten auf dem Rathausmarkt ihrem Unmut Luft – gleich unterhalb des Bürgermeisterbüros.
Erschienen am 26. Mai 2011 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel “Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind” auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.