Der Hamburger Senat hat einen Vertrag mit den Besetzern des historischen Gängeviertels geschlossen. Ein weiterer Beleg dafür, dass die SPD-Alleinregierung derzeit erstaunlich effektiv arbeitet. Ein Kommentar.
„Komm in die Gänge“ – das ist das Motto der Künstler, Kreativen und Alternativen, die das Hamburger Gängeviertel besetzt und mit buntem Leben gefüllt haben und deren Wirken in den historischen Häusern nun per Vertrag legalisiert wurde. Dass die Vereinbarung nach anderthalbjährigem schwarz-grünem Hickhack vom neuen Senat so zügig unter Dach und Fach gebracht wurde, ist ein weiterer Beleg dafür, dass die SPD-Alleinregierung selbst gut in die Gänge gekommen ist. Mit beeindruckender Konsequenz und Taktung räumt Bürgermeister Scholz seit März eine Mine nach der anderen ab, tritt einen Brandherd nach dem anderen aus und setzt ein Wahlversprechen nach dem anderen um. „Versprochen, gehalten“ solle der Leitsatz dieses Senates sein, heißt es aus dem Rathaus. Nur so könne Politik ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen.
Tatsächlich reiht sich der Vertrag mit den unangepassten und doch von viel bürgerlicher Sympathie begleiteten Gängeviertel-Besetzern ein in das weitgehend ordentliche, vor allem aber energische Regieren des Scholz-Senates. Der versprochene Wohnungsbau ist mit dem „Vertrag für Hamburg“ angeschoben, die Kita-Gebühren sind wieder gesenkt, das Ganztagsschulprogramm läuft, die Uni-Gebühren sind abgeschafft, die Stadtbahn ist vom Tisch, die Verhandlungen über den partiellen Rückkauf der Energienetze laufen auf Hochtouren, beim Haushalt gibt man sich, wie angekündigt, sparsam. Die Versprechen werden so zügig eingelöst wie von bisher kaum einer anderen Regierung. Selbst wenn der eine oder andere unerfahrene Senator unnötige Debatten über Abschaffung der Schreibschrift, Einführung der Citymaut oder angeblich nicht existierende Wohnungsnot vom Zaun gebrochen hat – insgesamt arbeitet der Senat weitgehend geräuschlos. Wenn man seine Arbeit mit dem Chaosstart von Rot-Grün 1998 im Bund oder der jetzt schon zwei Jahre währenden politischen Zickzackfahrt und dem Dauerstreit bei Schwarz-Gelb vergleicht, dann muss man sagen: Hamburg wird derzeit gut, jedenfalls handwerklich gut regiert.
Das heißt keinesfalls, dass alle Entscheidungen richtig sind. Die noch immer stiefmütterliche Behandlung der Hochschulen, die Abkehr von umweltpolitischen Schwerpunkten, die fehlenden Verkehrskonzepte nach dem Verwerfen der Stadtbahn und erste Anzeichen für die Rückkehr roten Filzes dürften CDU, FDP, GAL und Linkspartei noch genug Stoff liefern, den SPD-Senat zu attackieren. Auch die Opposition muss schließlich endlich mal in die Gänge kommen.
Erschienen am 9. September 2011 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel “Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind” auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.