6000 Menschen sollen schnell aus Hamburg abgeschoben werden. Das ist eine Forderung aus dem neuen Grundsatzpapier der CDU zur Flüchtlingspolitik. Zugleich sollen die Hilfen für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten verbessert werden. Mein Kommentar aus dem Abendblatt.
Ungefährlich ist es nicht, was die Hamburger CDU dieser Tage versucht. Drei Monate nach ihrer Wahlschlappe hat sich die Partei als Erstes das Thema Flüchtlinge ausgesucht, um nach Wundenlecken und Neuaufstellung wieder in die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Senat zu gehen.
Das ist natürlich eine Gratwanderung. Denn Politiker, die bei diesem Thema ihre Worte falsch setzen oder in populistische Phrasen abrutschen, machen sich schnell mitschuldig an einer möglichen Eskalation in einer in manchen Stadtteilen ohnedies angespannten Lage.
Gleichwohl muss auch über die Flüchtlingspolitik offen und ehrlich diskutiert werden, denn der Zustrom von in Not geratenen Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten wird weiter anhalten. Die Herausforderungen werden auch für Hamburg weiter wachsen.
Die Flüchtlinge müssen menschenwürdig untergebracht und versorgt, die Kinder unterrichtet, Traumatisierte psychologisch versorgt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, die Menschen aus Syrien, Irak und anderen kriegsgeplagten Staaten so in der Stadt zu verteilen, dass kein Viertel über Gebühr belastet wird, dass die Bürger bei der Planung von Unterkünften einbezogen werden und dass so Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorgebeugt und eine echte Integration möglich wird.
Das ist auch deswegen wichtig, weil viele der Flüchtlinge sehr lange bleiben oder sogar ihre neue Heimat in Hamburg finden werden. Deswegen muss die Stadt darauf achten, dass sie von Beginn an die nötigen Möglichkeiten bekommen, um zu Hamburger Bürgern mit allen Chancen auf ein gutes Leben zu werden, wenn sie als asylberechtigt anerkannt werden.
Das will auch die CDU. Zugleich betont sie aber in ihrem jetzt vorgelegten Konzept auch einen anderen Aspekt. Sie fordert eine schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Auch die Abschiebehaft solle wieder stärker genutzt werden. Minderjährige Flüchtlinge, die wiederholt kriminell werden, sollen in geschlossenen Heimen untergebracht werden können.
Das Papier gewichtet beides etwa gleich: einerseits die aus CDU-Sicht nötige Härte gegen aus rein wirtschaftlichen Gründen Eingereiste und anderseits die „christliche und humanitäre Pflicht“, den aus Kriegs- und Krisengebieten Geflüchteten zu helfen.
Nun mag mancher die Frage stellen, warum denn wirtschaftliche Not, also bittere Armut, eine Not sei, der man als Christ mit Härte zu begegnen habe. Das aber ist ein grundsätzliches und globales Dilemma, das eine Landespartei kaum wird auflösen können. Immerhin haben Hamburgs Christdemokraten auch zur Zuwanderung bereits einen Parteitag anberaumt.
Insgesamt ist das CDU-Grundsatzpapier ein wichtiger Beitrag zur Debatte, zumal es gerade nicht in populistische Phrasendrescherei abrutscht. Mit seiner doppelten Stoßrichtung ist es zugleich ein Zeichen dafür, dass die Partei neuen Elan entwickelt und dabei künftig wieder mit beiden Flügeln schlagen will: mit dem konservativen, rechten und dem sozialpolitischen, linken Flügel. Auch deswegen haben Konservative wie Dennis Gladiator und Jörg Hamann gemeinsam mit eher parteilinken Sozialpolitikern wie Franziska Grunwaldt oder Karin Prien wochenlang um das Konzept gerungen.
Für die CDU ist das vermutlich der richtige Weg. Denn um nach dem 15,9 Prozent-Debakel wieder auf die Flughöhe einer Volkspartei zu kommen, braucht sie beide Flügel. Auch für die Demokratie ist es gut, wenn die Parteien wenigstens hier und da unterscheidbar sind.
Es muss ja nicht jeder alles teilen. Aber ein vernünftiges konservatives Element ist auch in Hamburg gut für die Debatte. Nicht nur für diese.
Erschienen als Leitartikel im „Hamburger Abendblatt“ am 22. Mai 2015. Dort finden sich auch alle Details der CDU-Vorschläge, die am 26. Mai 2015 beim Parteitag diskutiert werden sollen. Das CDU-Papier in Gänze gibt es hier.