SPD und CDU wollen das ebenso fortschrittliche wie anspruchsvolle Hamburger Wahlrecht ändern – mal wieder. Mein Kommentar aus dem Abendblatt.
Nicht mal die alten Sprüche über das Wählen stimmen noch. Alle paar Jahre macht der Wähler ein Kreuz – und danach muss er es bis zum nächsten Mal tragen. So heißt eines der vielen lästerlichen Zitate über die Mühen der Demokratie. Auf Hamburg kann man es schon lange nicht mehr anwenden.
Darf der Wähler doch hier zehn Kreuze zwischen kaum noch zählbaren Kandidaten und Parteien verteilen. Das sollte nicht etwa bedeuten, dass er danach umso mehr zu ertragen hätte – im Gegenteil: Der Wähler soll mehr Auswahl und Macht auch gegenüber Parteien bekommen. Nicht mehr die Kandidaten sollen ins Parlament, die sich in ihren Parteien durch Kungelei und Liebedienerei Mehrheiten gesichert haben, sondern diejenigen, die das Volk für fähig und integer hält.
So gut die Idee ist, als so schwierig hat sich die Umsetzung erwiesen. Plötzlich bekommt der Wähler statt Wahlzettel Hefte mit hunderten Kandidaten vorgelegt, deren Namen er meist noch nie gehört hat. Nicht mal 57 Prozent der Wahlberechtigten gaben 2015 ihre Stimmen ab, und relativ viele Wahlzettel waren ungültig. Das sind starke Indizien dafür, dass das Verfahren manchen Bürgern zu kompliziert ist. So sehr man sich mehr Macht für die Wähler wünscht – ein gerechtes Wahlrecht muss vor allem ein Kriterium erfüllen: Es muss so einfach sein, dass jeder Bürger von diesem Recht auch Gebrauch machen kann.
Es ist bei all dem verständlich, dass SPD und CDU das Verfahren vereinfachen wollen. Eines ist aber auch klar: Nach jahrelangem Herumdoktern am wichtigsten demokratischen Recht muss diese Reform nun sitzen. Sie muss so gut sein, dass sie endlich Bestand hat – weil sie praktikabel ist und von den Bürgern akzeptiert wird.
Ist das nicht so, bekommen wir noch vor der nächsten Wahl die Konter-Reform: per Volksentscheid.
Erschienen am 27. Dezember 2016 als Kommentar im „Hamburger Abendblatt“.