Die Hintergründe des Herrn Frigge

Mein langjähriger „Hamburger Abendblatt“-Kollege Veit Ruppersberg pflegte Einladungen zu Hintergrundgesprächen stets mit der Bemerkung „Mich interessiert nur Vordergrund“ abzulehnen. Das hatte vermutlich einen simplen Grund: Er wusste, dass von Politikern angebotene Hintergrundgespräche oftmals mehr den Politikern nützen als den Journalisten und ihren Aufklärungsinteressen.

So berichtete die WELT
So berichtete die WELT

Ganz neutral betrachtet sollen Hintergrundgespräche dazu dienen, dass ein oder mehrere Politiker einem oder mehreren Journalisten komplexe Sachverhalte erläutern und ihnen dazu mehr oder weniger vertrauliche Informationen geben. Zugleich verpflichten sich die Journalisten, über die in einem Hintergrundgespräch erlangten Informationen nicht zu berichten. Wer bestimmte Informationen in einem Hintergrundgespräch erhält, fühlt sich an die Zusicherung der Vertraulichkeit gebunden, selbst wenn er dieselben Informationen später aus anderer Quelle bekommt. So dient Politikern das Hintergrundgespräch indirekt auch als Mittel der Manipulation und Kontrolle von Journalisten.

Am vergangenen Mittwoch lud der neue Hamburger Finanzsenator Carsten Frigge ein Dutzend Hamburger Journalisten zu einem Hintergrundgespräch in seine Behörde. Wenige Stunden zuvor hatten fünf Staatsanwälte seine Privatwohnungen und seine Firma durchsucht. Die Staatsanwaltschaft Mainz beschuldigt Frigge der Beihilfe zur Untreue. Er ist mit seiner Beratungsfirma C4 offenbar tief in eine CDU-Finanzaffäre in Rheinland Pfalz verstrickt, bei der es um den Wahlkampf 2005/6 für den damaligen CDU-Landes- und Fraktionschef Christoph Böhr geht. Nun wollte Frigge den Medienleuten also erläutern, wie sich die Lage für ihn darstellte.

Frigge stellte sofort eine falsche Behauptung auf

Das Gespräch dauerte etwa eine Stunde, und gleich zu Beginn stellte Frigge eine falsche Behauptung auf. Er behauptete nämlich, es gehe bei dem Verfahren gegen ihn um nicht zuzuordnende 80.000 Euro. In Wahrheit geht es um 390.000 Euro, wie die Staatsanwaltschaft einen Tag später wissen ließ. Am Ende des für die anwesenden Kollegen eher verwirrenden Gesprächs kam die Frage auf, was denn von all dem Gesagten nun für die Veröffentlichung freigegeben sei und was nicht. Man einigte sich darauf, dass alles geschrieben und gesendet werden dürfe – mit Ausnahme dessen, was Frigge explizit von der Berichterstattung ausgeschlossen haben wollte. Das betraf in dem gesamten Gespräch nur einen einzigen, möglicherweise aber entscheidenden Punkt, der kurz vor Ende des Gesprächs gesagt wurde.

Tatsächlich hielten sich die Hamburger Journalisten an die Abmachung. Niemand erwähnte den Punkt, den Frigge gerne geheim halten wollte. Einen Tag später, am vergangenen Freitag, fand sich nun allerdings genau dieser Aspekt in einem Bericht von Marc Widmann in der „Süddeutschen Zeitung“. In dem Artikel „390 000 Euro für zweifelhafte Beratung“ schrieb Widmann: „Angeblich soll Frigges Agentur Christoph Böhr einzig und allein als Fraktionschef beraten haben, etwa 50 Tage für einen stolzen Tagessatz von 7500 Euro.“ Genau dies war der Punkt, den Frigge nicht hatte freigeben wollen: die angebliche Höhe der von ihm bzw. seiner Firma C4 von der steuerfinanzierten CDU-Fraktion in Mainz kassierten Tagessätze. Zeitgleich  warf der Branchendienst „Werben & Verkaufen“ auf seiner Internetseite die Frage auf, ob Frigge 7400 Euro pro Tag von der CDU-Fraktion kassiert hätte.

Bei dem Hintergrundgespräch mit Frigge war weder ein Kollege der Süddeutschen noch des Branchendienstes anwesend. Dass sie dennoch über die Hintergründe informiert waren, bedeutet, dass sie ihre Informationen aus anderer Quelle bekommen haben – oder dass Frigge ihnen diese Informationen, anders als den Hamburger Journalisten, selbst und frei gegeben hat. Es zeigt jedenfalls, dass manchmal die Kollegen im Vorteil sind, die nicht zu Hintergrundgesprächen gehen – wie Veit Ruppersberg.

Tagessätze weit über der Norm

Da die Informationen nun also in der Welt waren, haben auch wir weiter recherchiert und die Frage in der WELT aufgeworfen, wie fürstlich sich CDU-Provinzfürsten auf Kosten der Bürger gegenseitig bezahlen dürfen. Dabei zeigte sich, dass es Frigge bei der Bitte, die Höhe der von ihm kassierten Tagessätze nicht zu nennen, möglicherweise nicht allein darum ging, eine Debatte über (offenbar horrende) Beratereinkommen zu verhindern. Vielmehr zeigten unsere Recherchen, dass die Höhe des Tagessatzes nach den Kriterien des Berufsverbandes der Berater weit über allen Grenzen gelegen hat (wenn Frigges Angaben stimmen). Das kann zweierlei bedeuten: Entweder hat sich Frigge mit Wucherhonoraren an dem Geld der Fraktion schadlos gehalten, Geld, wohlgemerkt, das vom Steuerzahler kommt. Oder seine Aussage stimmt auch in diesem Punkt nicht.

Weil das Thema nun (durch die bayerischen Kollegen) also bereits öffentlich verbreitet worden ist (da Frigge selbst es womöglich gegenüber anderen Medien freigegeben hat), und da es zur Aufklärung des Falls eine größere Bedeutung bekommen könnte, hier das, was Herr Frigge  zum Thema Tagessätze gesagt hat:

Der Vertrag, der mit der Fraktion geschlossen wurde, die pauschale Beratung von Böhr, ist ein Dienstvertrag, dem stehen Tage gegenüber, Beratungstage. (…) Ich bemühe mich, es aus der Berichterstattung rauszuhalten, weil Sie dann sofort ´ne andere Debatte haben. Diese Summe entspricht 52 Beratungstagen. In den 380.000 sind natürlich noch Mehrwertsteuer enthalten, da sind 22 Prozent Nebenkosten für Reisen und sowas enthalten. Es ist die Idee gewesen: Ein Tag die Woche, ein Jahr lang. Vor diesem Hintergrund muss man sich ja fragen: Sind denn 52 Beratungstage geleistet worden? Das ist der Fall.

Beust könnte die bösen Reichen im Senat suchen

Das wirft natürlich eine Debatte über Beraterhonorare auf. Denn um die 7000 Euro Tageslohn erscheint, für ein paar wirkungsfreie Ratschläge, als sehr gutes Gehalt (nicht nur unter CDU-Freunden). Es wirft auch die Frage auf, ob Ole von Beust in seine beinahe wöchentlich wiederholte Kritik an überhöhten Gehältern von Managern, seiner Kritik an unsolidarischen Reichen, nicht auch seine Berater-Parteifreunde, besser gesagt: seinen Finanzsenator einbeziehen sollte. Aber das ist eine Diskussion, die man an einem anderen Tag einmal führen kann (Tun wir auch, versprochen!). Schauen wir uns erst einmal an, was Herr Frigge am Mittwoch noch so gesagt hat – und zwar von Beginn an offen und zur freien journalistischen Verwendung.

Auf die Frage. welche Konsequenzen er aus dem Ermittlungsverfahren und aus der (in der Hamburgischen Geschichte einmaligen) Hausdurchsuchung bei einem Senator ziehen wolle, sagte Finanzsenator Carsten Frigge: „Überhaupt keine Konsequenzen, ehrlich gesagt.

Auf die Frage, ob es normal sei, dass Beratungsleistungen in einer Gesamthöhe von mehr als 400.000 Euro ohne jeden schriftlichen Auftrag oder Vertrag erbracht würden, sagte Carsten Frigge: „Es ist nicht normal im Sinne von ‚es kommt dauernd vor‘. Es gibt solche Situationen, zum Beispiel wo Eile geboten ist, bei Unternehmensübernahmen und solchen Themen (…) Es ist kein ganz ungewöhnlicher Vorgang, wenngleich es nicht der normale ist.

Zu den einigermaßen wirren Ausführungen Frigges kamen schließlich auch noch ein paar Gedächtnislücken. Auf die Frage, wem genau von seinen CDU-Parteifreunden er denn nun sein Angebot gemacht habe, sagte Frigge irgendwann: „Danach ist ein Angebot abgegeben worden, ein schriftliches Angebot, ähm, an die Fraktion. Das weiß ich nicht mehr so genau. Möglicherweise auch an den Landesverband.“ Dabei ist das ja gerade der Punkt, bzw. der Kern der Affäre: dass möglicherweise mit dem Steuergeld der Fraktion widerrechtlich Wahlkampf für die Partei gemacht wurde. Schließlich fiel Frigge ein: „Ich würde mal vermuten, das wurde an den Landesverband abgegeben.“ Vielleicht hilft dem Gedächtnis des Herrn Frigge ja der Brief, der durch Recherchen des Kollegen Per Hinrichs bereits in der WELT veröffentlicht werden konnte.

Ist doch egal, wo mein Geld herkommt

Auf die Frage, was denn Bürgermeister Ole von Beust ihm nach der Hausdurchsuchung gesagt habe, sagte Frigge, von Beust habe „einige aufmunternde Worte gefunden“.

Eine überraschende Weltsicht verriet Hamburgs Finanzsenator bei der Frage, ob er selbst nicht hätte fragen müssen, von wem die vielen Hunderttausend Euro gekommen seien, die er mit seiner Firma kassierte. Nein, befand der CDU-Finanzsenator: „Unter juristischen Gesichtspunkten ist das völlig ohne Belang. Denn selbst wenn morgen herauskommt, jeder blinde Krückstock hätte sehen müssen, was nach meiner festen Überzeugung nicht der Fall war, dass das Arbeit für die Partei war, ja, dann kann ich immer noch sagen: Das geht mich juristisch gar nichts an, denn ich habe einfach einen Auftrag ausgeführt, der wurde bezahlt, das ist nicht mein Problem.

Fortsetzung folgt.

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2 Kommentare

  1. Ich erspare mir alles zum Thema, ob Hintergrundgespräche journalistisch-ethisch vertretbar sind und ob alle Journalisten in die Hölle kommen, die sich auf Vereinbarungen mit Informanten einlassen. Dustin Hofmann und Robert Redford zum Beispiel. Ich verkneife mir auch die gemeine Frage, ob die Aufforderung „lassen Sie uns mal unter 3 reden…“ häufiger von Medienleuten oder häufiger von Informanten kommt. Ihr würdet die Antwort nämlich nicht glauben.

    Zum Hintergrundgespräch nur so viel: Das hat in Bonn funktioniert, Schleyer-Entführung / Mogadischu. 30 Jahre her. Wer heute noch auf die Vertraulichkeit des „unter 3“ vertraut, ist grenzwertig naiv. Wer in eigener Sache irgendwas „unter 3“ anbietet, braucht dringend einen guten PR-Berater (ob der im konkreten Fall noch hilft, weiß ich nicht). Ich glaube, „unter 3“ ist tot (was nicht bedeutet, dass es zwischen Journalisten und Informanten ein allgemeines und gleiches Vertrauensverhältnis geben muss). Wenn „unter 3“ tot ist, drohen Journalisten künftig weniger (gut) informiert zu sein (na gut, dann kommentieren sie am Mittwoch, warum das gar nicht eintreten KONNTE, was sie am Montag prognostiziert haben. Merkt kein Mensch). Wenn „unter 3“ tot ist, wird die Gefahr kleiner, dass Journalisten sich über den Tisch ziehen lassen. – Jeder treffe seine Entscheidung.

  2. Na – und wie sind nun die Infos an die Journalisten der SZ gelangt?

    Einer der Hamburger Journalisten hat das Hintergrundgespräch mit Frigge und seine dreiste Art so genervt, daß er die Info an einen Kollegen beim Süddeutschen Verlag gegeben hat.

    Dort funktioniert die redaktionelle Zusammenarbeit und Schwupps erscheint ein Artikel nicht nur in der Süddeutschen sondern auch im Branchenblatt w+v (gleicher Verlag).

    Vielleicht war es ja so….

    Am Ende Egal. Wir Hamburger freuen uns über die interessanten Infos zum Fall Frigge.

    Letzterer wird wohl nicht mehr viele Hintergrundgespräche als Senator führen. Wir erwarten eigentlich nur noch eine Pressemitteilung in der er seinen Rücktritt mitteilt.

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