Ole von Beust und sein Finanz(affären)senator

Bürgermeister Ole von Beust hat seinen alten Weggefährten Carsten Frigge vor wenigen Wochen zum Finanzsenator gemacht. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Frigge, sie durchsuchte seine Wohnungen, weil sie glaubt, er habe Beihilfe zur Untreue geleistet und sei tief in einen CDU-Finanzskandal in Rheinland-Pfalz verwickelt. Dafür, dass Hamburg nun mitten in der Finanzkrise einen verdächtigen und somit ohnmächtigen Finanzsenator hat, ist Ole von Beust ganz allein verantwortlich. Denn er wusste, was Frigge vorgeworfen wurde. Es stand nämlich schon 2008 in der Zeitung – nicht nur in Mainz:

Artikel von 2008 aus dem "Hamburger Abendblatt"
Artikel von 2008 aus dem „Hamburger Abendblatt“

Übrigens versuchte der CDU-Beust-Senat schon 2006 CDU-Mann und Beust-Freund Frigge mit einem lukrativen Auftrag zu versorgen. Dessen jetzt auch in den Finanzskandal verwickelte Beratungsfirma C4 sollte damals ein Sportstadtkonzept entwickeln. Eine Ausschreibung des laut SPD 50.000-Euro umfassenden Auftrags war offenbar nicht geplant. Nach Erscheinen des folgenden Zeitungsartikels verzichtete man schließlich auf die offizielle Vergabe des Auftrags an den CDU-Parteifreund. Der sollte nun plötzlich und einigermaßen überraschend „pro bono“ für den Beust-Senat tätig werden – obwohl er bei den CDU-Freunden in Rheinland Pfalz etwa zur gleichen Zeit offenbar 7400 Euro pro Tag kassierte, wie zumindest der Branchendienst „Werben und Verkaufen“ berichtet.

Artikel aus dem "Hamburger Abendblatt" von 2006

Damit, dass von Beust seinen Freund Frigge trotz aller bekannten Fakten zum Finanzsenator ernannte, hat er nicht nur der Stadt, sondern auch sich selbst und womöglich dem größten Anliegen des schwarz-grünen Senates geschadet: der Schulreform. Denn der Volksentscheid über die Primarschule droht angesichts des schlechten Bildes, dass der Senat abgibt, zu einer Generalabrechnung zu werden. Ein Kommentar:

Für Hamburg ist es ein einmaliger Vorgang, und auch bundesweit muss man lange suchen, um halbwegs ähnliche Fälle zu finden. Dass fünf Staatsanwälte die Privatwohnung eines Landesministers (in diesem Fall eines Senators) durchsuchen, weil dieser einer Straftat beschuldigt wird, ist für den Senat, für die Hamburger CDU und für Bürgermeister Ole von Beust der größte anzunehmende Unfall. Nicht nur, weil die Kombination aus „Verdacht der Beihilfe zur Untreue“ und „Finanzsenator“ nicht eben für Vertrauen sorgt. Sondern auch, weil Senator Carsten Frigge mehr Verstörendes als Entlastendes zur Mainzer Parteispendenaffäre mitzuteilen hat, in die er mit seiner Beratungsfirma verwickelt ist.

Frigge hat eingeräumt, dass er Aufträge im Gesamtumfang von mehr als 400.000 Euro angenommen hat, ohne zunächst einen Vertrag oder schriftlichen Auftrag gehabt zu haben. Er habe zu Anfang nicht einmal gewusst, ob er für Partei oder Fraktion arbeite, ob das Geld also aus Partei- oder Steuerkasse stamme, so der Hamburger Finanzsenator. Frigge hat von undurchsichtigen Zahlungen, Vorschüssen und geforderten Rücküberweisungen auf dunkle Konten berichtet. Er hat zugegeben, trotz aller Ungereimtheiten weiter für seine Parteifreunde in Mainz gearbeitet und weiter kassiert zu haben. Zwar kann er nicht nachweisen, wofür er das üppige Honorar bekommen hat, da alle Unterlagen gelöscht worden seien. Er sei sich aber keiner Schuld bewusst und sehe keinen Grund, sein Amt als Finanzsenator auch nur ruhen zu lassen.

Natürlich gilt auch für einen Finanzsenator die Unschuldsvermutung – im juristischen Sinne. Im politischen Sinne ist der Fall Frigge unabhängig vom juristischen Ausgang ein Debakel für Ole von Beust. Denn der Bürgermeister hat seinen alten Weggefährten aus Junge-Union-Zeiten erst zum Staatsrat und dann zum Finanzsenator gemacht, obwohl dessen Verwicklung in die Mainzer Parteienfinanzierungs- und Untreue-Affäre längst hinreichend bekannt war. Mitten in der schlimmsten Finanz- und Haushaltskrise hat er den wichtigsten Senatorenposten leichtfertig vergeben und sich so die Staatsanwälte in den Senat geholt.

Nach dem Elbphilharmonie-Desaster, dem Winterchaos und der kaum vermittelbaren Kita-Verteuerung muss man, kurz vor dem für den Senat so wichtigen Volksentscheid, konstatieren: Diesen Bürgermeister hat offenbar das politische Gespür verlassen.

Der Kommentar ist erschienen am 6. Mai 2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Meyer-Wellmann,

    dieser Blog zu Herrn Frigge ist wirklich gut.

    Ich frage mich warum zum Zeitpunkt der Ernennung von Frigge zum Senator dies alles (da ja bekannt) in Hamburg nicht groß diskutiert wurde.

    Ich hatte „damals“ zum Rücktritt von Herrn Freytag, einen Leserbrief an das Abendblatt geschrieben, den ich hier kurz als Zitat anfüge.

    „Rein menschlich ist der Rücktritt durchaus nachzuvollziehen – politisch für die CDU allerdings eine weitere Katastrophe. Kopilot Freytag springt mit dem Fallschirm ab während der Chefpilot von Beust mit Navigatorin Goetsch auf das nächste Finanzdesaster Primarschule und Stadtbahn zurast. Der neue Copilot Carsten Frigge wird keine große Hilfe sein. Seine Verstrickung in die Parteispendenaffäre in Rheinland-Pfalz belastet ihn zu sehr. “

    Jetzt wird Frigge der CDU und von Beust zu Recht das angeknackste Genick brechen. Auch wenn ich ungerne verschiedene Sachverhalte vermische aber angesichts des derzeitigen trickreichen politischen taktierens von Herrn Beust hoffe ich, daß die Bombe Frigge relativ kurz vor dem Entscheid über die Schulreform hochgeht – er hat es nicht anders verdient.

    Mit freundlichem Gruß

    V.

  2. Treffender kann man den Fall Frigge in all seinen Dimensionen nicht beschreiben – wirklich gut geschrieben.

    Kuhlmann, Ciflik, Hakverdi, Ahlhaus, Frigge

    Es sind die politischen Eliten, die Herr von Beust angreifen sollte und nicht die Bürger der Stadt Hamburg.

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