Meine schreit lauter

Mit dem Sommer erobern die Biker wieder die Stadt – und spielen Stresstest mit unseren Ohren.

Nein, nein, ich bin doch nicht wahnsinnig und übe öffentlich Kritik an den freundlichen Fahrern all der Kawas, Hondas oder Harleys, die jetzt wieder die Stadt mit fröhlichem Dröhnen erfüllen.

Das gäbe in Hamburg auch sofort eine Fatwa des Motorrad-Gottesdienst-Pastors oder eine konzertierte Aktion der Radiosender zur Rettung des bedrohten Bikers.

Ich möchte nur eine Frage stellen, falls das okay ist: Warum dürfen manche Motorräder eigentlich so viel Lärm machen wie zehn Laster oder 50 Durchschnittsautos?

Na gut, es hat natürlich auch Vorteile, wenn man den Feuerstuhl, während man im Vorgarten oder im Straßencafé seinen Cappuccino schlürft, bereits hört, sobald er im Nachbarstadtteil losfährt. Man weiß dann, dass es Zeit ist, reinzugehen und die Fenster zu schließen.

Hartgesottene nicken dem Gesprächspartner wenigstens noch einmal zu, um ihm zu bedeuten, dass das Sprechen für die nächsten Minuten sinnlos ist.

Man kann die Zeit auch nutzen, um sich im Internet an den schönsten Motorradsprüchen zu freuen, etwa: „Sind wir zu laut, bist du zu alt“, „Nur meine Freundin schreit lauter“ oder „Lieber das Leben riskieren als Schwung verlieren“.

Wenn Sie sich manchmal fragen, warum die Polizei in Hamburg niemals dezibelsüchtige Motorradfahrer mit ihren aufgemotzten Maschinen hopsnimmt – ich weiß es: Weil sie genug mit der Verfolgung gemeingefährlicher Fahrradrowdys zu tun hat. Und Lärmschutz ist sowieso was für Weicheier aus Brüssel.

In diesem Sinne: „Der Motor qualmt, der Kolben schreit, Zweitakt für die Ewigkeit!“

Erschienen am 26. Mai 2012 in WELT und WELT ONLINE in der Rubrik „Hamburger Momente“. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

 

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