Being Ingo Egloff

Früher habe ich gedacht, Politiker seien gar nicht so langweilig. Aber das war vor Twitter und Facebook. Jetzt weiß ich, dass es schlimmer ist. Zum Beispiel Ingo Egloff, einstmals SPD-Chef in Hamburg. „Heute Schreibtischarbeiten, Akten lesen und Gespräche“, notiert er jeden Tag bei Facebook für die Öffentlichkeit.

Manchmal wandelt er die digitalen Protokollnotizen aus seinem tristen Dasein auch ab: „Akten aufarbeiten, Sitzung vorbereiten, Gespräche führen“. Oder am Donnerstag: „Heute an den Schreibtisch, letzte Arbeiten. Einige Gesprächstermine ab mittags“. Wenn ich das lese, frage ich mich immer, was schlimmer ist: Ingo Egloff sein, oder einige Gesprächstermine bei Ingo Egloff haben.

Natürlich machen Politiker das alles nicht aus Spaß: Sie müssen ja mit den Menschen in Kontakt bleiben und zeigen, dass sie nicht überflüssig sind. Irgendjemand muss doch all die Akten lesen und Gespräche führen und die Demokratie mit Leben erfüllen. Dabei hilft auch Carsten Ovens, den sie in der CDU „Opa Ovens“ nennen, obwohl er 32 und Chef der Jungen Union ist.

Der Kosename kommt nicht von der Frisur, sondern weil Ovens, sagen manche, auftrete wie sein eigener Urgroßvater, als Mentalitätsgreis, lebendig wie ein wilhelminischer Zinnsoldat. Bei Twitter lässt er uns an seiner preußischen Beflissenheit intensiv teilhaben und protokolliert täglich all die JU- und Neumitgliederabende mit soviel Witz, dass wir uns totlachen würden. Wenn wir uns nicht längst in den Schlaf geweint hätten.

Wäre ich Hauptdarsteller der spannungsarmen Büroserien „Being Ingo Egloff“ oder „Mein Leben als Opa Ovens“, würde ich bei Facebook täglich notieren: „Heute zur Arbeit fahren, am Telefon sprechen und am Computer schreiben. Abends wird es dunkel“.

Oder: „Aufstehen, Akten lesen, hinlegen“. Nach Folge 364 würde ich rebellieren und posten: „Heute Puffbesuch und Bankraub“. Aber das würde natürlich herausgeschnitten. Man will den Zuschauer nicht verunsichern. Und nichts gibt mehr Sicherheit als eine Große Koalition der Langweiler.

Erschienen in der Rubrik „Nordlicht“ in der „Welt am Sonntag“ am 13. Oktober 2013.

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