Die Hamburger Grünen (GAL) standen lange für einen seriösen Umgang mit Steuergeld. Diesen Kurs haben sie im bundesweit ersten schwarz-grünen Landesbündnis mit der CDU aufgeweicht. Das liegt nicht nur an der Krise. Vielmehr hat sich Schwarz-Grün in Hamburg ausgesprochen ehrgeizige Ziele gesetzt – die selbst unter normalen Bedingungen nur schwer nachhaltig zu finanzieren wären. Mit den lange geheim gehaltenen Millionenzahlungen an den Chef der nur mit Steuergeld überlebensfähigen HSH Nordbank hat die GAL endgültig ihre Unschuld verloren.
Schon lange bevor die GAL der SPD in Hamburg den Rücken kehrte, um sich 2008 mit der CDU einzulassen, trennte die einstigen rot-grünen Partner vor allem eines: der Umgang mit dem Geld. Obwohl beide nebeneinander nach 2001 in der Opposition saßen und gleichermaßen den Senat kritisierten, legte die GAL von Beginn der Ära Ole von Beust besonderen Wert auf „Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik“. Soll heißen: Sie bemühte sich, nur solche Projekte vorzuschlagen oder zu befürworten, die auch bezahlbar schienen. Vor allem die grünen Haushaltspolitiker Willfried Maier und Anja Hajduk standen in der Bürgerschaft und im Bundestag für eine seriöse Finanzpolitik. Bei der SPD war das nicht immer so, sie agierte nach dem Machtverlust von 2001 in Hamburg lange Zeit nach dem Motto: In der Opposition kannst du alles fordern, denn bezahlen musst du es ja sowieso nicht. Heute hat sich dieses Verhältnis zwischen GAL und SPD verkehrt. Jetzt sind es die Grünen, die das Prinzip der Nachhaltigkeit in Haushaltsfragen gern mal vernachlässigen – eine These, die sich an einigen Beispielen belegen lässt. Die GAL hat Visionen – deren Preise aber verschweigt sie So verkündete die GAL den Hamburgern den Bau einer Stadtbahn, von der die grüne Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk aber nicht einmal sagen konnte, was sie denn kosten wird. Ein verantwortlicher Familienvater würde wohl kein Haus bauen, ohne zu wissen, was es kostet. Aber die Grünen bauen ja auch kein Haus, sie bauen ihre Vision, sie bauen eine Stadtbahn.
Der leichthändige grüne Umgang mit dem Geld zeigte sich jüngst auch bei anderer Gelegenheit: als der Rechnungshof die schwarz-grüne Vorlage für die Hafencity-Universität ablehnte, weil ihm eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für das 84-Millionen-Projekt fehlte. Brüsk wies der grüne Fraktionschef Jens Kerstan die Kritik zurück und bescheinigte dem Rechnungshof, er habe erstens keine Ahnung und solle sich zweitens nicht in politische Entscheidungen einmischen. Politik machten Senat und Bürgerschaft, nicht der Rechnungshof.
Selbst wenn man diese Aussage kaum bestreiten kann, so hat der Ton, mit dem die Grünen die unabhängige Institution abkanzelten, den Rechnungshof beschädigt. Eine Tatsache, die sich noch bitter rächen kann, sollen doch dessen Prüfer möglicherweise auch einmal mithelfen, das Debakel der HSH Nordbank aufzuarbeiten.
Transparente Politik? Jetzt wird das Parlament ausgetrickst
Und nun stellt sich in diesen Tagen heraus, dass die GAL auch die Sonderzahlungen an HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher als Koalitionspartner mit zu vertreten hat. 2,9 Millionen Euro soll der Manager der Bank bekommen, die nur noch durch staatliche Milliardenzuschüsse und -garantien lebensfähig ist und von deren Geschäftsmodell der Schiffsfinanzierungen mitten in der Schifffahrtskrise auch niemand so recht überzeugt ist.
Dabei hat Schwarz-Grün offenbar auch das Hamburger Parlament nicht offen informiert – denn schließlich hatte die Bürgerschaft festgelegt, dass Bankmanager während staatlicher Stützungsmaßnahmen maximal 500 000 Euro verdienen und keine Boni beziehen sollten. Mit dem Fall Nonnenmacher hat die GAL ihre Unschuld verloren. Denn gerade die Grünen standen, viel mehr als die CDU, für den Anspruch einer transparenten und diskursorientierten Politik.
Der frühere grüne Stadtentwicklungssenator und Haushaltspolitiker Willfried Maier, der 2008 aus der Bürgerschaft ausschied, konstatiert im Gespräch mit der WELT: „In einer so schweren Krise ist die Disziplin in der Haushaltsführung schwer aufrechtzuerhalten.“ Allerdings sei es richtig, dass der Staat in dieser Zeit als Nachfrager auftrete, so Maier, zumal man sich in einer klassischen „keynesianischen Situation“ befinde.
Krise hin, Krise her – Schwarz-Grün lebt über unsere Verhältnisse
Mag die schwierige Lage der Finanzen viel mit der Krise zu tun haben – es kommt noch etwas hinzu. CDU und GAL haben sich bereits im Koalitionsvertrag so ehrgeizige Ziele gesetzt, dass viele Beobachter schon in den vergleichsweise goldenen Zeiten des Frühjahrs 2008 vorhersagten, Schwarz-Grün werde ein Geldproblem bekommen. Der grüne Fraktionschef Jens Kerstan war denn auch der Erste, der schon Mitte 2008 die Möglichkeit ins Spiel brachte, neue Schulden zu machen.
Tatsächlich sind die schwarz-grünen Kompromisse kostspielig. Die CDU darf 300 Millionen Euro für die U-Bahn in die Hafencity ausgeben, dafür dürfen die Grünen eine Stadtbahn bauen, von der niemand weiß, was sie kostet. Die ehrgeizige Schulreform wird mit mehreren Hundert Millionen Euro zu Buche schlagen. Gleichzeitig denkt man im Senat darüber nach, die Universität von Eimsbüttel in den Hafen zu verlegen. Geschätzte Kosten: zwei Milliarden Euro. Die Hafencity-Uni ist da für 84 Millionen Euro ein echtes Schnäppchen, also hält man, Krise hin, Krise her, auch an ihr fest.
Es scheint fast so, als entwickle sich das bürgerliche Bündnis aus CDU und Grünen zu einer Koalition der teuren Visionen, bei der beide Partner ihre Ideen und Vorstellungen ausleben dürfen – egal, was es kostet. Im Koalitionsvertrag hatte das erste schwarz-grüne Bündnis noch etwas anderes versprochen. In dessen Präambel heißt es: „Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen heißt auch, das öffentliche Vermögen nicht aufzubrauchen, sondern zu erhalten und zu mehren. Deshalb wird die Haushaltspolitik der Koalition dem Grundsatz folgen, Einnahmen und Ausgaben in Ausgleich zu bringen.“
Erschienen am 14. Juli 2009 in WELT (Hamburg) und WELT-ONLINE