Gewinnwarnung

Die Stadt Hamburg geht nicht gut um mit ihren Gewinnern. Ich zum Beispiel, der ich mich ohne jede Anmaßung zu dieser Kategorie zählen darf, ging am Mittwoch in meinen Lokstedter Lottoladen, lupfte meinen Schein mit den drei Richtigen und bat um Auszahlung des Gewinns von neun Euro irgendwas. Was aber tat der graugesichtige Mann hinter dem Plastiktresen? Er schüttelte den Kopf und weigerte sich, meinen Gewinn herauszurücken, ohne meinen Schein überhaupt anzunehmen.

„Der ist nicht von hier“, knurrte er und hatte recht. Ich hatte den Tippzettel, gierig auf den Jackpot, auf Rügen ausgefüllt. Offenbar hatte der Lokstedter Lottomann das schon aus der Distanz erkannt. „Gut“, sagte ich. „Und was bedeutet das? Soll ich etwa nach Rügen fahren, um meinen satten Gewinn einzustreichen?“

„Können Sie machen“, sagte er ungerührt. „Oder Sie rufen bei der Telefonnummer an, die da auf der Rückseite steht.“ Er zeigte mit einem fürchterlich behaarten Zeigefinger in eine undefinierbare Richtung seines muffigen Kioskkabuffs. Wütend stapfte ich hinaus (nicht ohne vorher einen Vonhier-Schein abzugeben, der Jackpot war noch zu haben). Später rief ich im Osten an und hatte das Vergnügen mit der Auslandsbeauftragten der Lottogesellschaft des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.

„Es ist ganz einfach, schicken Sie mir Schein und Kontonummer, dann überweise ich Ihnen den Betrag. Abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von zwei Euro fünfzig.“ „Wenn das einfach ist, wie ist dann kompliziert?“, raunzte ich. Und rechnete vor, dass mir so von neun Euro abzüglich Porto und Gebühr nur sechs blieben, der Staat also ein Drittel meines Gewinns einstrich. Ich war geneigt, eine kleine Rede über Mehrnettovombrutto, Bürokratieabbau oder „Gewinnen muss sich wieder lohnen“ zu halten, ließ das aber bleiben.

Ich habe jetzt immerhin begriffen, was das Wort „Gewinnwarnung“ bedeutet. Am Abend war ich glücklich, dass ich auf dem neuen Schein nur zwei Richtige hatte. Das hat mir vermutlich viel Ärger erspart.

Erschienen unter dem Titel „Lottoverlust“ in WELT und WELT ONLINE.  Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über denn alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.

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