Der überraschende Rücktritt des Hamburger CDU-Chefs Michael Freytag hat die Machtkonstellation in der hanseatischen CDU schlagartig verändert. Er ist der erste Schritt hin zu einem umfassenden Generationswechsel.
Ein Kommentar.
Vielleicht ist das Ganze ein großes Abschiedskonzert. Ole von Beust kritisiert die Eliten, paukt gegen die eigenen Leute eine Schulreform durch, die allem widerspricht, das er versprochen hatte. Er kokettiert fast wöchentlich mit seinem Rückzug aus dem Amt – und schließlich stellt er sogar fest, er mache Politik nicht, „um die Wähler zu füttern“. Deutlicher kann man nicht sagen, dass man keine Unterstützung mehr von den eigenen Fahrensleuten und Stammwählern benötigt – weil man keine Wahl mehr durchstehen muss.
Wenn man sich ansieht, was der Bürgermeister in jüngerer Zeit (vollkommen losgelöst) von sich gegeben hat, dann mutet der Rücktritt von Michael Freytag nicht mehr wie ein singuläres Ereignis an, sondern wie das Freiräumen der Felder, die für eine große Rochade benötigt werden. Dass sich die Herren in der zweiten Reihe nun bereits quasi öffentlich auf Innensenator Christoph Ahlhaus als Beust-Nachfolger geeinigt haben (anstatt zu betonen, dass es keinen Anlass für eine Nachfolgeregelung gebe), sagt alles.
In Wahrheit musste Michael Freytag nicht in erster Linie wegen der HSH Nordbank oder der Finanzlage gehen. Das Desaster bei der einstigen Hamburger Landesbank haben zu allererst Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner und auch Ole von Beust selbst zu verantworten. Und die Finanzkrise ist Freytag naturgemäß auch nicht anzulasten.
Gehen musste er, weil er nicht in der Lage war, den für die eigenen Mitglieder und Wähler bisweilen radikal anmutenden Kurswechsel seiner CDU zu vermitteln. Statt die eigenen Leute mitzunehmen, philosophierte er von einer Seelenverwandtschaft mit den Grünen. Gefragt wäre jemand gewesen, der auch im Bündnis mit der GAL das Profil der CDU schärft, anstatt es herzuschenken.
Mit Michael Freytag geht einer der Architekten von Schwarz-Grün. Sein Rücktritt läutet das Ende einer Ära ein – der Ära Ole von Beust.
Erschienen in etwas kürzerer Version am 3. März 2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.
Tja, Herr Müller-Sönksen,
wie recht Sie hatten mit Ihrer „Schweigegeld“- Bemerkung im Grand-Elysee hinsichtlich der 2,9 Mio Zahlung an Nonnenmacher – wenn man bedenkt, was seitdem bisher noch alles so an`s Licht kam.
Für Ihr Schweigen auf die Nachfrage des Moderators hatte ich schon ein gewisses Verständnis.
Das Sahnehäubchen war das spitzbübische Schmunzeln von Strate.
Wenn 2020 unsere Politikrenter Freytag, von Beust und Roeder, nachdem Sie aus persönlicher Überzeugung in einen Nicht-Elite-Stadtteil umgezogen sind, von dort mit der Stadtbahn direkt vor die Elbphilharmonie fahren, mit Ihrer goldenen HSH-Nordbank Kreditkarte ermäßigte Premierenehrenkarten bezahlen, wissen wir genau, was sie sich unter „my.hamburg.de“ vorgestellt haben.