Mutloses Wischiwaschi

CDU-Bürgermeister Ole von Beust hat die Hamburger seit Wochen auf schwere Zeiten eingeschworen. Die Stadt muss jährlich eine halbe Milliarde Euro im Haushalt einsparen. Nach einer dreitägigen Haushaltsklausur des schwarz-grünen Senates präsentierte von Beust in einer Regierungserklärung nun aber mehr laue Luft als konkrete Sparbeschlüsse. Ein Kommentar.

Scheiden tut weh. Insofern war die Regierungserklärung, die Bürgermeister Ole von Beust gestern abgegeben hat, im doppelten Sinne schmerzhaft. Zum einen hat von Beust mögliche Projekte in Notwendiges und Wünschenswertes geschieden und Abschied von zwei, drei Vorhaben genommen. Verabschieden mussten sich die Hamburger, zweitens, aber auch von der Vorstellung, Bürgermeister und Senat würden den Mut aufbringen, ihnen möglichst konkret zu sagen, was auf sie zukommt. Stattdessen hat von Beust Zahlen in den Raum gestellt, die wie beliebig aus der Luft gegriffen wirken. Allein 100 Millionen Euro Einsparungen erwartet er von der Steigerung der Verwaltungseffizienz, 50 Millionen Euro sollen die öffentlichen Unternehmen (wie Saga/GWG) zusätzlich abliefern.

Nicht gesagt hat der Bürgermeister, welche Leistungen gestrichen und welche Ämter geschlossen werden – und ob die städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Mieten erhöhen müssen. Er hat kein Wort über die Kosten der Stadtbahn oder der Schulreform verloren. Er hat sich nicht damit beschäftigt, ob Hamburg eine teure Reiterstaffel braucht und ob zweistellige Millionenausgaben für Projekte wie die Umwelthauptstadt nicht eher zum Wünschenswerten als zum Notwendigen gehören. Stattdessen hat er vorgerechnet, dass eine von ihm geforderte Steuererhöhung des Bundes 85 Millionen Euro für Hamburg erbringen könnte. Der Haken an der Sache: Ob diese Steuererhöhung kommt, darauf hat von Beust kaum Einfluss.

In der Summe hat sich diese Regierungserklärung, mitten in der tiefsten Haushaltskrise, im Abstrakten und Diffusen verloren. Ein Grund liegt auf der Hand: Der schwarz-grüne Senat will die bitteren Wahrheiten vor dem für ihn schicksalhaften Volksentscheid am 18. Juli für sich behalten. Von Beust hat daher lieber seiner politischen Weggefährtin Angela Merkel nachgeeifert, die ihr Sparpaket ähnlich unkonkret verkündete. Die Folgen solcher Wischiwaschi-Politik sind in Berlin zu besichtigen.

Erschienen am 17. Juni 2010 in WELT und WELT ONLINE. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.
 

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