Naja, die Spanier haben es ja auch nicht leicht. Banken pleite, Sparpaket und dann diese furchtbare Hitze. Während der vergangenen Wochen hat es am südlichen Mittelmeer nicht ein einziges Mal geregnet, dauernd 32 oder 35 Grad, alles staubtrocken, und die Sonne versengt dem bleichen Nordländer binnen Minuten die Nase und jeden Quadratzentimeter haarlosen Schädels.
Wie wunderbar ist es da, endlich nach Hamburg zurückzukehren und zu sehen, wie alles grünt und gedeiht, und im Garten ist eine Salatgurke von Ausmaßen gewachsen, die sich ein Durchschnitts-Iberer gar nicht mehr leisten könnte. Und niemand musste dafür gießen.
Diese Fruchtbarkeit wird uns vom Himmel geschenkt, während im südlichen Spanien nur dort grüne Tupfer in der grauen Landschaft auszumachen sind, wo Tag und Nacht die Beregner laufen und hektoliterweise Wasser auf das mickrige Gemüse sprengen.
Wer das wohl alles bezahlt, fragt man sich, und weiß doch schon die Antwort: Wir natürlich, weil unsere Gurken größer sind.
Kehrt man aus dem Mittelmeerurlaub heim, so erinnert man sich (nach dem erquickenden Temperatursturz von 34 auf 14 Grad) sofort, wie viel angenehmer es ist, bei Nieselregen zu joggen als einen Sonnenstich zu bekommen.
Man freut sich, dass man für das Auto beim Einkaufen mühelos einen Schattenparkplatz findet, und der nächtliche Schlaf ganz ohne das Gedröhne von Klimaanlagen über einen kommen kann.
Und erst die Gewitter – welch gewaltige Schauspiele uns die nordische Natur wöchentlich frei Haus liefert, (beim Nachbarn hat ein Blitz so kraftvoll eingeschlagen, dass auch unsere Telefonanlage hinüber ist – oh wunderbare neue Ruhe).
Dazu kommen alle möglichen Sorgen, die wir Hamburger aus klimatisch-geografischen Gründen nicht haben. Wir müssen zum Beispiel nicht alle zwei Stunden betrunkene Briten aus dem Meer ziehen.
Und da bei uns niemand badet, pinkelt auch niemand ins Wasser – ganz anders als in Spanien. Einige Strandgemeinden haben dort wegen der Hygiene gerade ein Bußgeld von 750 Euro für Meerpinkler eingeführt – was sie binnen Tagen zu den reichsten Dörfern Europas machen oder sogar Spaniens Pleite abwenden könnte. Vorausgesetzt die spanischen Beamten finden einen effektiven Weg der Kontrolle.
Erschienen am 22. Juli 2012 in der Rubrik Nordlicht in der „Welt am Sonntag“. Eine Sammlung von Jens Meyer-Wellmanns Kolumnen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn gibt es unter dem Titel „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ auch als eBook bei Amazon, und zwar hier.