Mag ja sein, dass Pokemon-Jagd, WhatsApp und all dieses Smartphone-Gedöns gefährlich für Kinder ist. Aber das gute alte Unterschichtenfernsehen, wie Harald Schmidt SAT.1 und Co mal genannt hat, ist auch nicht ohne. Es sei denn, Sie wollen mit Ihrem Nachwuchs über Scheidenpilz und Blasenschwäche diskutieren. Kürzlich habe ich meinen Söhnen erlaubt, eine Krimi-Serie auf so einem Kanal zu sehen. Was darin passierte, war nicht der Rede wert, bloß das Übliche: Spionage, Mord und Totschlag.
Die Werbepausen aber hatten es in sich. Sie handelten ausschließlich von eher so mittelattraktiven Unterleibsbeschwerden der Eltern- und Großeltern-Generation. Und das Ganze brannte sich so tief in die Köpfe der Jungs ein, dass sie es wieder loswerden mussten, indem sie es stundenlang vor sich hinbrabbelten.
„Blähungen, Durchfall und Verstopfung? Da hilft Kitschidingsda Reizdarm“, säuselte es dann vor dem Schlafengehen stimmbrüchig durch den Flur. Weisheiten über Hämorrhoiden, Arthrose und Männer, die nachts raus müssen, waren plötzlich beliebter als die Lets-Play-Gags der Youtube-Stars.
Zum Hit wurde das Unterwäsche-Ergänzungsprodukt für die junggebliebene Frau in den besten Jahren: „Ich lache, ich niese, ich habe Blasenschwäche“. (Wenn Leute in meiner Gegenwart niesen, zucke ich neuerdings panisch zusammen.) Als das Licht aus war, gab es von den Jungs noch einen letzten Nachschlag: „Stehen Sie bei Intimkrankheiten auch immer im Dunkeln? Jetzt den vaginalen Selbsttest machen!“
Ich habe mich bei alldem gefragt, um was ich mir mehr Sorgen machen soll: Um das Seelenheil meiner Kinder, die man zwingt, so früh in die Abgründe des körperlichen Verfalls zu blicken? Um den Verlust jeglicher Diskretion? Oder um Kanäle, die ihre Zielgruppe so schlecht kennen, dass sie im Umfeld von Serien für halbwüchsige Jungs Scheidenpilzcremes bewerben? Einem solchen Sender für marode Unterleiber könnte die Gefahr drohen, zeitgleich mit den Käufern seiner Krampfadersalben, Kürbispillen und Inkontinenz-Binden das Zeitliche zu segnen.
Meinen Söhne verordne ich derweil mehr Pokemon und weniger Fernsehen. Aus väterlicher Fürsorge.
Erschienen in leicht geänderter Form als Zwischenruf im „Hamburger Abendblatt“ vom 10. August 2016.