SPD und Grüne wollen in Hamburg trotz prallvoller Stadtkassen eine neue Gebühr zur Straßenreinigung einführen. Alle Hamburger sollen sie ab Januar 2018 zahlen, auch Mieter. Nicht nur die Opposition, auch Mieter- und Grundeigentümerverbände und der Steuerzahlerbund protestieren – und haben jetzt eine Allianz gegen die Einführung der Gebühr gegründet. Mein Leitartikel aus dem „Hamburger Abendblatt“ zu der Debatte.
Eines kann man SPD und Grünen in Hamburg jedenfalls nicht nachsagen: Dass sie sich vor der Bundestagswahl zwanghaft um die Gunst der Wähler bemühen. Im Gegenteil: Mit der Einführung einer neuen Reinigungsgebühr, die jetzt alle Hamburger unabhängig vom Einkommen zahlen sollen, bringen sie derzeit einen großen Teil der Bürger gegen sich auf. Das zeigt auch das breite Protest-Bündnis, das sich jetzt im Rathaus organisiert hat.
Natürlich: Erhöhungen von Steuern oder Gebühren sind immer unbeliebt. Trotzdem können sie bisweilen nötig und sinnvoll sein. In diesem Fall aber sind sie es nicht. Die von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) beschlossene Gebühr ist nicht nur ungerecht. Sie ist auch politischer Unfug – aus fünf unterschiedlichen Gründen.
Erstens verteuert die Gebühr das Wohnen in Hamburg für alle Bürger weiter. Denn sie wird zwar von Grundeigentümern erhoben – aber an alle Mieterhaushalte in voller Höhe weitergereicht. Schon jetzt machen die Nebenkosten fast ein Drittel der Wohnkosten aus. In Zeiten schnell steigender Mieten und Immobilienpreise und starker Zuwanderung ist das nicht nur Gift für den Wohnungsmarkt – es konterkariert auch das von Rot-Grün proklamierte Ziel, Wohnen in Hamburg müsse bezahlbar bleiben.
Zweitens ist es im Jahr von Steuerrekordeinnahmen nicht vermittelbar, den Bürgern weiteres Geld für eine staatliche Grundaufgabe abzunehmen. Das (Schein-)Argument, die Steuereinnahmen könnten ja irgendwann wieder sinken und dann werde es ohne Gebühr wieder schmutzig, ist absurd. Nach dieser Logik könnte man auch sagen: Wir erheben in Zeiten voller Kassen sicherheitshalber eine Bildungsgebühr – damit wir die Schulen auch dann noch bezahlen können, wenn die Steuereinnahmen sinken. Dass es anders geht, zeigt das von einem grünen Bürgermeister regierte Stuttgart. Dort werden jetzt Müllsünder schärfer verfolgt – und Steuergeld im Haushalt zur Verbesserung der Sauberkeit in der Stadt umgeschichtet.
Drittens geht es gar nicht in erster Linie um Straßenreinigung. Vielmehr soll über die Gebühr indirekt die Reinigung auch der Grünanlagen finanziert werden. Ob das rechtlich in Ordnung ist, wird sich bei ersten Klagen zeigen.
Viertens wird das Verursacherprinzip vernachlässigt. Zwar sind für die zunehmende Vermüllung oftmals Touristen oder Veranstaltungsgäste verantwortlich – durch die die Stadt Millionen an zusätzlichen Steuern einnimmt. Zahlen für deren Dreck soll aber der kleine Mieter, der auf dem Kiez wohnt, und der Hauseigentümer, der am Stadtrand seine Straße bisher selbst gefegt hat. Damit ist die Art der Gebührenerhebung nicht nur ungerecht. Sie könnte auch dazu führen, dass die Eigenverantwortung weiter abnimmt. Das wäre in einer Stadtgesellschaft keine gute Entwicklung.
Fünftens ist die Reinigungsgebühr hochgradig unsozial. Denn sie wird allen Hamburgern unabhängig vom Einkommen abgenommen – auch denjenigen, die so wenig verdienen, dass sie staatliche Unterstützung beziehen. In Wahrheit wirkt die Kerstan-Gebühr wie eine Pauschalsteuer.
SPD-Bürgermeister Olaf Scholz unterstützt das undifferenzierte Abkassieren von 700.000 Mieterhaushalten offenbar vorbehaltlos. Das könnte man nach G20 fast schon als weiteres Indiz dafür deuten, dass der einstige Hoffnungsträger seiner Partei den politischen Instinkt verloren hat.
Erschienen als Leitartikel im „Hamburger Abendblatt“ vom 12. September 2017.