Die Grünen wollen aus dem „Tor zur Welt“ ein „Labor zur Welt“ machen und viel Neues in der Hansestadt ausprobieren. Das hat ihre Bürgermeisterkandidatin Fegebank bei ihrer Nominierung angekündigt. Mein Abendblatt-Kommentar.
Eines haben Konrad Adenauer und Olaf Scholz gemeinsam: Beide errangen ihre größten Wahlsiege mit dem Versprechen, bodenständige Politik zu machen und auf das Ausprobieren von Neuem zu verzichten.
Adenauer holte mit dem Wahlslogan „Keine Experimente!“ 1957 im Bundestagswahlkampf die bisher einzige absolute Mehrheit im Bundestag für seine Union. Scholz gewann 2011 mit „Vernunft, Vertrauen, Verantwortung“ und dem Nein zur Stadtbahn in Hamburg aus dem Stand eine absolute Mehrheit für seine SPD – und beendete eine Phase, in der Schwarz-Grün mit der Stadt an vielen Stellen zugleich erfolglos herumexperimentiert hatte. Da sollten das Schulsystem radikal umgebaut und ein ganz neues Verkehrssystem eingeführt werden – aber die Schneeräumung im Winter funktionierte nicht mehr.
Dass große Wahlsiege oft mit einer konservativen Grundhaltung errungen werden, zeigt, dass die Wähler radikalen Neuerungen eher skeptisch gegenüberstehen. Umso mutiger ist das, was die Grünen im Bürgerschaftswahlkampf fordern. Sie wollen Hamburg zu einem „Labor zur Welt“ machen, wie es ihre Bürgermeisterkandidatin Katharina Fegebank jetzt sagte. Man müsse Hamburg „mehr zutrauen“, die Stadt solle zur „Blaupause der Mobilitätswende“ werden. „Wir brauchen Experimente“, so Fegebank – etwa um die Wirtschaft ökologischer zu gestalten.
Damit geben sich die Grünen als echte Alternative zur Hamburger SPD, die es mit Experimenten und großen Veränderungen bekanntlich nicht so hat. Fegebank als Erneuerin steht gegen SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher, der den staatsmännischen Bewahrer und höchstens moderaten Reformer gibt.
Das Duell ist dabei nicht nur auf der persönlichen Ebene interessant. Es gibt den Bürgern auch inhaltlich eine echte Wahl. Die Grundfragen lauten: Wie mutig sind die Hamburger und wie viel Veränderung wollen sie? Die Stadt hat einen der spannendsten Wahlkämpfe ihrer jüngeren Geschichte vor sich.
Erschienen als Kommentar im „Hamburger Abendblatt“ am 11. November 2019. Hier der Link zum Artikel über den Parteitag.